Tenorales Strahlen: eine Legende und ein Star von heute
Javier Camarenas „Hommage à Manuel García“geriet zum Herzstück der Konzertprogramme der Pfingstfestspiele.
Was für eine abenteuerliche, „romantische“Biografie! Ein Schusterssohn aus Sevilla namens Manuel García wird zum Weltstar. Von Andalusien führte ihn sein Weg nach Madrid, Paris, Neapel, Rom, London, New York, Mexiko City und wieder in die französische Metropole. Er wird zu einem legendären, stilbildenden, so bewunderten wie seiner Exzesse wegen gefürchteten Tenor, dessen Gesangstechnik verbindliche Grundlagen für nachfolgende Generationen schuf. Er komponierte selbst in allen Genres, kreierte mit fast 60 Operetten und Opern eine Art „spanischen Zweig“der Gattung, wusste aber auch die französische Tragédie lyrique zu bedienen. Er verkehrte mit den Reichen, Schönen und Mächtigen der damaligen Welt. Und er setzte durch seine Vortragsund Darstellungskunst Welterfolge anderer in Gang: Mozart gleichermaßen wie Rossini. Zwei seiner Kinder zählen zu den Legenden der Gesangskunst: Maria Malibran und Pauline Viardot.
Eine „Hommage à Manuel García“passt also haargenau ins Programm der Salzburger Pfingstfestspiele, die im 150. Todesjahr Rossinis über Wirkung und Nachwirkung der (Gesangs-)Kunst an der Zeitenwende von 1868 nachdenken. Also war das Arienrezital des mexikanischen Tenors Javier Camarena am Sonntagnachmittag ein Herzstück der Konzertprogramme und ein seltenes Juwel für alle StimmenAficionados. Camarena eilte denn auch von Höchstton zu Höchstton, und auch wenn er den stadionartig losbrüllenden Jubel nach jeder seiner Exaltationen lange auskostete, war seine Darstellung doch nie bloßer Selbstzweck – bei aller glitzernden Bravour seiner Stimmkünste. Der Kern seines Organs ist kräftig und fest, die Farben, die er mit seinem Tenor fantastisch dosiert zur Wirkung bringen kann, sorgen für beinahe „szenische“Abwechslung in den acht ausgewählten Nummern, von denen die Beispiele aus der Feder Manuel Garcías wohl niemandem im Saal geläufig waren: eine köstlich parodistische Nummer über das Kunststreben eines Dichters („El Poeta calculista“), zarttönende, sublime Poetik, in der sich auch die Solisten der feinen „Musiciens du Prince – Monaco“unter Gianluca Capuano, sozusagen die „Hofkapelle“Cecilia Bartolis, quasi mitsingend profilieren konnten („La Mort de Tasse“/Der Tod Tassos), und eine tragisch umflorte spanische Liebeserklärung („El gitano por amor“): eine Entdeckung, die Neugier nach mehr weckte.
Dass Camarena und seine „Hofmusiker“auch an Niccolò Antonio Zingarelli erinnerten, dessen Oper „Giulietta e Romeo“zu Pfingsten 2016 bedeutsam wiederentdeckt wurde, war ein zusätzliches Aperçu. Und natürlich durfte Graf Almaviva, die Glanzrolle Manuel Garcías, nicht fehlen.
Dann aber noch die Überraschung der Zugabe. Don Ramiro sucht nach Cenerentola – und prompt erscheint sie, mit Besen, Putzkübel, gelben Handschuhen und im schlichten Punkterlkleid: „La Bartoli“höchstpersönlich gab sich zum Duett die Ehre, knapp vor der Vorstellung der „Italiana in Algeri“. Ach, glückliches Salzburg!