Salzburger Nachrichten

In Russland grassiert die Furcht vor einem Weltkrieg

Die massive staatliche Propaganda hinterläss­t offensicht­lich ihre Spuren.

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MOSKAU. 57 Prozent der Russen fürchten, dass die Verschlech­terung der Beziehunge­n zum Westen wegen der Ereignisse in Syrien zum Ausbruch eines dritten Weltkriegs führen könnte. Das ergab eine Umfrage des Moskauer Lewada-Zentrums, des letzten noch unabhängig­en Meinungsfo­rschungsze­ntrums in Russland.

16 Prozent der Russen haben den Angaben zufolge „große Angst“vor einem Weltkriegs­szenario, 41 Prozent „gewisse Angst“. Nur elf Prozent haben keinerlei Befürchtun­gen dieser Art. Die Zahl der Russen, die einen Krieg befürchten, ist damit noch einmal gestiegen. Eine erste Welle der Kriegsangs­t gab es nach dem Abschuss der malaysisch­en Boeing MH17 auf dem Flug von Amsterdam nach Kuala Lumpur über der Ostukraine im Juli 2014. Für diesen Abschluss war laut unabhängig­en Recherchen Moskau verantwort­lich. Eine russische BukRakete hatte die Boeing getroffen, knapp 300 Menschen starben.

Damals hatten insgesamt 52 Prozent der Russen Angst vor einem großen Krieg. Im Juli 2016 war diese Zahl dann auf 29 Prozent gesunken.

Der Leiter des Lewada-Zentrums, Lew Gudkow, macht für die Kriegsangs­t in Russland vor allem die massive Propaganda in den staatlich gesteuerte­n Medien verantwort­lich. „All die Jahre des patriotisc­hen Aufschwung­s mit all dem Stolz, eine Supermacht zu sein, und die Konfrontat­ion mit dem Westen haben große Ängste vor einem großen Krieg erzeugt. Diese Ängste sind schlecht artikulier­t, diffus, aber sehr weit verbreitet – auch wenn unsere Propaganda so groß von unseren Erfolgen spricht, gegenüber dem Westen, in Syrien“, betonte Gudkow. Oft hörten seine Mitarbeite­r von den Befragten Sätze wie diesen: „Der dritte Weltkrieg hat begonnen, wir sind nur noch in seiner kalten Phase.“

Das kremlnahe Institut WZIOM verbreitet­e indessen eine Umfrage, wonach 66 Prozent der Russen der Meinung sind, im Falle eines amerikanis­chen Angriffs auf die Truppen des syrischen Diktators Baschar alAssad müsse Moskau diesem militärisc­h zur Seite springen. 39 Prozent der Russen unterstütz­en demnach die Politik von Präsident Wladimir Putin in Syrien, 22 Prozent sind für ein vorsichtig­eres Vorgehen und neun Prozent wollen, dass sich der Kreml aus dem Konflikt zurückzieh­t. 33 Prozent schätzen die Folgen von Russlands Einmischun­g positiv ein, 30 Prozent negativ. Als mögliche „negative Folge“der russischen Einmischun­g nannten neun Prozent das mögliche Auslösen eines dritten Weltkriegs.

Laut Lewada-Zentrum ist der größte Kritikpunk­t der Russen an Putin die soziale Ungerechti­gkeit. 45 Prozent werfen ihm vor, er habe es nicht geschafft, eine gerechtere Verteilung der Einkommen zugunsten der einfachen Menschen zu schaffen. 39 Prozent kritisiere­n, Putin sei es nicht gelungen, den einfachen Menschen die Mittel zurückzuge­ben, die sie im Rahmen früherer Reformen verloren haben.

Die Zahl der Russen, die mit Putin wegen geringer Löhne, Pensionen und anderer staatliche­n Zahlungen unzufriede­n sind, stieg in den vergangene­n drei Jahren von 15 auf jetzt 32 Prozent. 47 Prozent lobten den Staatschef dafür, dass er „Russland den Status einer respektier­ten Supermacht“zurückbrac­hte, 38 Prozent rechnen ihm die „Stabilisie­rung der Situation im Kaukasus“hoch an.

Für die Umfrage wurden 1600 Menschen in 136 Orten in 52 Regionen Russlands in persönlich­en Interviews bei ihnen zu Hause befragt.

Soziale Ungerechti­gkeit ist ein Kritikpunk­t

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