Ein Mann ohne Freunde
Als Premierminister war er unantastbar. Nun, da Malaysias Regierungschef Najib Razak abgewählt ist, wird er von seinen Fehlern eingeholt.
Malaysias schwerreicher Tycoon Tony Fernandes gehörte zu den ersten Wendehälsen. „Ich wurde gezwungen“, behauptete der Gründer der Billigairline Air Asia wenige Stunden, nachdem Najib Razak am 9. Mai die malaysischen Parlamentswahlen verloren hatte. Fernandes, der seine Fluglinie einst mit der Unterstützung des damaligen und nun wiedergewählten Premierministers Mahathir Mohammed gründete, hatte wenige Tage vor der Wahl die traditionell roten Uniformen des gesamten Flugpersonals gegen Blau – die Farbe von Najibs Parteienbündnis – ausgetauscht. Nun reut nicht nur ihn die freiwillige Unterstützung des Wahlverlierers.
Zu Dutzenden wenden sich Wirtschaftsbosse, Schauspieler und Politiker von der nationalkonservativen UMNO-Partei ab, die Malaysia sechs Jahrzehnte lang regiert hat. Der neue Premier, der 92-jährige Mahathir, der das Land bis 2003 schon einmal mit eiserner Hand regiert hat, gilt plötzlich als Ikone der demokratischen Reform. Zurück bleibt mit Najib ein Wahlverlierer, der keine Freunde mehr hat – und dessen Herrschaftssystem sich zunehmend als Kopie einer Mafiatruppe entpuppt. Selbst die Polizei, die der 65-jährige Politiker Najib jahrelang für seine politischen Zwecke missbrauchte, betrachtet er plötzlich als Gegner. „Wir sind sehr unglücklich darüber, dass sie wahllos alles Mögliche mitgenommen hat“, ließ er nach einen stundenlangen Hausdurchsuchung erklären. „Selbst Babysachen. Es wurde kein Versuch unternommen, herauszufinden, ob die beschlagnahmten Sachen etwas mit den Untersuchungen zu tun haben.“Die Polizei hatte nach einer Hausdurchsuchung in mehreren Lieferwagen 72 Taschen und Koffer voller Bargeld, Juwelen und 284 Kisten mit Luxushandtaschen seiner Ehefrau Rosmah abtransportiert. Am Mittwoch musste Najib sich zum zweiten Mal innerhalb einer Woche vor einem Untersuchungsausschuss rechtfertigen. Dem ExPremier wird vorgeworfen, während seiner Amtszeit aus einem Staatsfonds mehr als 3,7 Milliarden Euro zweckentfremdet zu haben. Mehr als eine halbe Milliarde landeten demnach auf einem Konto, das ihm selbst gehört.
Najib wird freilich nicht nur von finanziellen Sünden eingeholt. Die mongolische Regierung forderte Mahathir Mohammed bereits auf, die Untersuchung im Mordfall Altantuya Shaariibuu wieder aufzurollen. Die Leiche der 28-Jährigen war 2006 in der Nähe von Kuala Lumpur entdeckt worden. Die Mongolin soll nicht nur die Geliebte des damaligen Verteidigungsministers Najib gewesen sein. Sie diente ihm bei bei informellen Gesprächen über die Zahlung von 114 Millionen Euro Schmiergeld durch den französischen Rüstungskonzern DCNS auch als Übersetzerin. Die Mongolin musste offenbar sterben, weil sie nach dem Geschäft, bei dem es um die Lieferung von U-Booten ging, eine größere Kommission für ihre Dienste gefordert hatte. Ihr Mörder, der frühere Polizist Sirul Azhar Umar, der sich nach einem Todesurteil von Malaysia nach Australien absetzte, erklärte nach der Wahl aus seiner Zelle, er sei bereit, die Auftraggeber des Mordes beim Namen zu nennen – sofern er begnadigt wird. Außerdem durchsuchte die Polizei die Wohnung von Hasanah Ab Hamid, der Chefin von Malaysias External Intelligence Organisation. Sie soll ein Team von rund 300 Agenten geführt haben, das Najib Razak direkt zu Diensten stand.
Welche Methoden Najib und seine Leute nutzten, wurde bei der Anhörung im Untersuchungsausschuss deutlich. Der Chefermittler war in die USA geflohen, nachdem ihm in einem Brief eine Kugel zugesandt worden war. „Wir wollten das gestohlene Geld zurückbringen“, erklärte er vor dem Untersuchungsausschuss. „Stattdessen wurden wir als Verräter abgestempelt.“