Eine Liebe zwischen den Regalschluchten
Das deutsche Drama „In den Gängen“spannt Toni-Erdmann-Star Sandra Hüller und Franz Rogowski zusammen.
Ein Lebensmittelgroßmarkt irgendwo in der sächsischen Provinz: Hier beginnt Christian (gespielt von Franz Rogowski) seine Probezeit, in den Regalschluchten, mit den neuen Kollegen beim Getränkekistenschupfen. Der ältere Bruno (Peter Kurth) nimmt ihn unter seine Fittiche, bald verschaut sich Christian in die Kollegin Marion (Sandra Hüller). „In den Gängen“ist eine behutsame Liebesgeschichte und die Erzählung von einem, der aus der Fremde kommt und sich an die Gepflogenheiten innerhalb einer neuen Gemeinschaft anpassen muss. Regisseur Thomas Stuber hat den Film nach der gleichnamigen Kurzgeschichte von Clemens Meyer gedreht. Bei der Berlinale war „In den Gängen“für den Goldenen Bären nominiert, beim Deutschen Filmpreis wurde Hauptdarsteller Franz Rogowski ausgezeichnet. SN: Wie kam denn die Kurzgeschichte zu Ihnen? Thomas Stuber: Schon beim ersten Lesen vor einigen Jahren war ich völlig überwältigt von dieser Tiefe und der Atmosphäre, die mein Koautor und Freund Clemens Meyer da auf gerade einmal 25 Seiten aufbaut, an diesem Un-Ort Großmarkt. Schon damals habe ich mir erträumt, dass man daraus einen Spielfilm machen kann. SN: Wie sehr ist „In den Gängen“verankert in der Realität? Natürlich braucht man ein Fundament, eine Recherche, um sich auszukennen, aber darüber hinaus ist alles künstlich, alles ausgedacht im Film. Es gibt diese eine schöne Geschichte: Clemens Meyer hatte früher im Großmarkt gearbeitet. Und nachdem er den Preis der Leipziger Buchmesse für das Buch bekommen hatte, war er irgendwann einmal wieder zu Besuch auf ein Glas Sekt in dem Großmarkt. Und dort haben ihn alle bestürmt, mit wem er denn jetzt diese Affäre gehabt hätte. Mit niemandem natürlich! Das meine ich: Das ist alles ausgedacht, von ihm schon bei der Geschichte und von uns beiden dann, als wir das Drehbuch erarbeitet haben. SN: Der Raum ist sehr bestimmend im Film, schon allein vom Titel her, „In den Gängen“. Ich glaube, ich habe noch nie einen Film gemacht, wo das Setting und der Ort so ein wichtiger Mitspieler waren. Ich würde meinen, der Großmarkt ist der vierte Hauptdarsteller. Und neben all dem Filmischen, dem Bildhaften dieser Gänge, der Regalschluchten hat mich noch etwas fasziniert: die große Welt im Kleinen. Die ganze große Welt, alle Orte, alle möglichen Beziehungen, die großen und kleinen Tragödien, Liebeleien zusammenzupferchen auf eine Modellwelt. SN: Steckt das alles schon in der Kurzgeschichte? Nicht alles. Das ist keine Literaturverfilmung, sondern das Gegenteil: Wir hatten hier nicht die Aufgabe, aus einem Vierhundert-Seiten-Roman den Kern rauszuziehen, sondern unsere Arbeit war genau andersrum. Wir haben einiges dazuerfunden. Wir haben etwa aus einer zweizeiligen Beschreibung, wie Mitarbeiter heißhungerhaft abgelaufene Ware essen, eine ganze Szene entwickelt. SN: Gerade dadurch hat die Figur von Christian genug Luft und kann einfach sein, was Franz Rogowski sehr gut kann. War das der Grund, weswegen Sie ihn wollten? Ich bin in meiner Vorbereitungsarbeit akribisch. Franz hat ein besonderes Äußeres, ein unglaublich nuanciertes Spiel, und er bringt große Sympathie mit, das kann man nicht erlernen. Er ist der Prototyp eines Leinwandschauspielers. Ich glaube, auf dem kleinen Bildschirm funktioniert der gar nicht. Kino: