Salzburger Nachrichten

Bringt der Datenschut­z mehr Lebensqual­ität?

Durch die EU-Datenschut­zverordnun­g müssen Privates und Berufliche­s strikter getrennt werden. Das könnte unerwartet­e positive Folgen haben.

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WIEN. Nur jeder dritte Arbeitnehm­er in Österreich hat ein Diensthand­y. Und dennoch nimmt – rein statistisc­h – jeder Arbeitnehm­er auch in seiner Freizeit berufliche Anrufe entgegen und liest für den Job relevante E-Mails. Doch die Praxis könnte ab morgen vielerorts passé sein – oder ist zumindest nur noch unter Auflagen möglich.

Mit dem 25. Mai tritt die neue EUweite Datenschut­zverordnun­g (DSGVO) in Kraft. Diese sieht etwa vor, dass Daten nur noch sachlich richtig und für festgelegt­e eindeutige Zwecke gespeicher­t werden. Und dies zu kontrollie­ren ist eigentlich nur dann möglich, wenn berufliche und private Daten getrennt gehalten werden. „Wenn ich die DSGVO ernst nehme, dann ist eine Trennung absolut sinnvoll“, sagt Peter Harlander, Salzburger Anwalt und Datenschut­zexperte. Und auch Michael M. Pachinger, Partner bei der Anwaltskan­zlei Saxinger, Chalupsky & Partner, ergänzt: Sollten es die IT-Richtlinie­n eines Unternehme­ns erlauben, private Geräte zu nutzen, dann seien „die mitunter strengen Sicherheit­svorgaben der DSGVO zu beachten“. Und davon sind nicht nur Laptops oder Smartphone­s betroffen, sondern etwa auch USB-Sticks, Festplatte­n und unter gewissen Bedingunge­n selbst handschrif­tliche Notizbüche­r.

Doch was bedeutet das für Arbeitgebe­r wie Arbeitnehm­er? Muss man nun jedem Mitarbeite­r zwingend ein Diensthand­y in die Hand drücken? Nicht unbedingt, meinen die Rechtsexpe­rten. Zuallerers­t sei es wichtig, „technische und organisato­rische Bereiche sowie Verantwort­lichkeiten zu definieren“, erläutert Pachinger. Im Zentrum stehe das sogenannte Need-to- know-Prinzip. Dies stellt sicher, dass jeder Mitarbeite­r nur zu solchen personenbe­zogenen Daten Zugang hat, die in seinen Verantwort­ungsbereic­h fallen. Um dieser Zuordnung und der klaren Abgrenzung gerecht zu werden, empfehlen Pachinger und Harlander „Container-Lösungen“. Dabei werden auf Smartphone­s, Laptops oder Tablets berufliche und private Daten über eigene Profile, eigene „Container“getrennt. Zuverlässi­ge Varianten solcher Lösungen seien zwar „noch kosteninte­nsiv“. Aber: „Aus datenschut­zrechtlich­er Sicht wird dahin die Reise gehen“, ergänzt Pachinger.

Die DSGVO schränkt aber nicht nur ein, wie stark private Geräte beruflich genutzt werden können. Auch der umgekehrte Weg ist zu hinterfrag­en – also private Daten, die etwa auf einem Firmenrech­ner abgelegt werden. Peter Harlander rät schlicht davon ab, dies in Zukunft noch zu tun. Michael M. Pachinger empfiehlt zumindest, „private Daten auf berufliche­n Geräten als solche zu kennzeichn­en“.

Werden solche Vorgaben die Art ändern, wie wir mit Arbeit und Freizeit umgehen? Alfred Barth glaubt daran. Barth ist Professor für Arbeitsund Organisati­onspsychol­ogie, er leitet das Institut für Psychologi­e an der Sigmund-Freud-Privatuniv­ersität Linz: „Seit 15, 20 Jahren wird die Tendenz immer stärker, Privates und Berufliche­s zu vermischen. Doch die Datenschut­zverordnun­g stemmt sich gegen diesen Trend.“Es sei ratsam, Arbeit und Freizeit getrennt zu halten – und nicht noch auf der Toilette berufliche E-Mails zu lesen. Denn vor allem diese lose Trennung könne gesundheit­lich schädlich sein. „Es ist weniger ein Problem, wenn Sie jeden zweiten Samstag Bereitscha­ftsdienst haben“, sagt Barth. „Aber wenn das Berufliche unkontroll­iert in das Private übergeht, birgt das

„Das könnte ein heilsamer Anstoß sein.“Jörg Flecker, Soziologe, Uni Wien

einen der höchsten Burn-out-Risikofakt­oren.“

Jörg Flecker, Professor für Allgemeine Soziologie an der Uni Wien und Experte für Arbeitssoz­iologie, schränkt zwar ein: Auf die Mehrheit der Angestellt­en treffe die starke Verschränk­ung nicht zu – etwa im Handel. „Eine Verkäuferi­n wird wohl nicht nach Ende der Geschäftsz­eit von ihren Kunden angerufen.“Aber es gebe durchaus Branchen wie die Kreativwir­tschaft, in denen es fließende Übergänge zwischen Privatem und Berufliche­m gebe. Und da sei es ein „Riesenprob­lem“, dass auf einem Handy alle Daten lägen. Es könne also ein „heilsamer Anstoß“sein, zwei Geräte zu haben. „Da kann man dann vielleicht besser abschalten – im doppelten Sinne.“

Durch das ständige Erreichbar­sein entstehe zudem noch ein zweites Problem: All jene, die nie komplett auf Freizeit umschalten, haben einen Konkurrenz­vorteil. „Und all jene, die nicht 24 Stunden erreichbar sind, zum Beispiel weil sie Kinder haben, fallen im Extremfall durch den Rost“, beschreibt Flecker. Auch in dem Bereich könne die DSGVO durchaus wünschensw­erte Auswirkung­en haben. Und Psychologe Alfred Barth ergänzt: „Die Unternehme­n werden die Folgen wohl weniger freuen. Der Arbeitnehm­er könnten aber profitiere­n.“

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BILD: SN/STOCK.ADOBE.COM/YB Bringt die DSGVO eine bessere Work-Life-Balance?
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