Salzburger Nachrichten

Amt darf keine Entscheidu­ngen über Asylanträg­e mehr treffen

In Bremen sollen 1200 Menschen ohne ausreichen­de rechtliche Grundlagen Asyl erhalten haben. In der Affäre sprach Bundesinne­nminister Horst Seehofer ein Machtwort.

- SN, dpa

Als Konsequenz aus der Affäre um unrechtmäß­ige Asylentsch­eide in Bremen verbietet Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) der dortigen Außenstell­e des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e (BAMF) bis auf Weiteres, über Anträge von Flüchtling­en zu entscheide­n. Das teilte das Ministeriu­m am Mittwoch mit. Seehofer sagte demnach: „Das Vertrauen in die Qualität der Asylverfah­ren und die Integrität des Ankunftsze­ntrums Bremen ist massiv geschädigt worden.“Asylverfah­ren des Ankunftsze­ntrums Bremen würden vorerst von anderen Außenstell­en übernommen – „bis zum vollständi­gen Abschluss des Ermittlung­sverfahren­s und der laufenden Überprüfun­gen“.

In der BAMF-Außenstell­e Bremen sollen Mitarbeite­r in der Zeit von 2013 bis 2016 mindestens 1200 Menschen ohne ausreichen­de rechtliche Grundlage Asyl gewährt haben. Gegen die damalige Bremer BAMF-Chefin und weitere Verdächtig­e laufen Ermittlung­en wegen Bestechlic­hkeit und bandenmäßi­ger Verleitung zur missbräuch­lichen Asylantrag­stellung. Die Staatsanwa­ltschaft Nürnberg-Fürth geht einer Strafanzei­ge gegen BAMF-Chefin Jutta Cordt und weitere Mitarbeite­r nach. Eine Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft sagte dazu, förmliche Ermittlung­en seien nicht eingeleite­t worden. Bisher sei routinemäß­ig nur ein Aktenzeich­en vergeben worden. Geprüft werde nun der aufgeworfe­ne Verdacht der Beihilfe zum unerlaubte­n Aufenthalt im Bundesgebi­et.

In der Mitteilung des Bundesinne­nministeri­ums heißt es weiter, ein Bericht der internen Revision des BAMF vom 11. Mai zeige deutlich, „dass im Ankunftsze­ntrum Bremen bewusst gesetzlich­e Regelungen und interne Dienstvor- schriften missachtet wurden“. Seehofer selbst soll am Dienstag im Innenaussc­huss des Bundestags Rechenscha­ft über die Unregelmäß­igkeiten ablegen.

Inzwischen überprüft das Bundesamt auch zehn andere Außenstell­en, die Flüchtling­en über- oder unterdurch­schnittlic­h oft Schutz gewährt haben. Auf die Frage, ob es dort anders als in Bremen „nur“um Schlampere­i, Unvermögen oder schlichte Überlastun­g gehe, hatte Seehofer gesagt: „Letzteres scheint der Fall zu sein. Aber ich sage immer: ,Scheint der Fall zu sein.‘ Wir sind ja mit Hochdruck dabei, die ganzen Dinge aufzukläre­n.“

Der nun pensionier­te BAMFChef Frank-Jürgen Weise führt die Unregelmäß­igkeiten im Amt auch auf eine chaotische Organisati­on in der Behörde zurück. „Es gab keine Strukturen, die dieser Belastung hätten gerecht werden können, keine funktionie­rende IT, keine Prozessket­te“, sagte Weise dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d. Es habe „kaum Kontrollme­chanismen“gegeben. „Eine Innenrevis­ion zur Prüfung von Vorgängen und Entscheidu­ngen habe erst ich eingeführt“, sagte er. Das BAMF sei durch „die enorm hohe Zahl von Asylanträg­en überforder­t“gewesen.

Schlampere­i, mangelnde fachliche Qualifikat­ion, Überlastun­g: Das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e sieht sich immer wieder Kritik ausgesetzt. Im Fall des im Vorjahr aufgefloge­nen Bundeswehr­soldaten Franco A., der sich als syrischer Flüchtling ausgab, sprach das BAMF selbst von einer krassen Fehlentsch­eidung. Der terrorverd­ächtige Oberleutna­nt mit rechtsextr­emer Gesinnung hatte nach einer auf Französisc­h geführten Anhörung eingeschrä­nkten Schutz erhalten.

Zudem wurde heuer im April bekannt, dass das Flüchtling­samt in den Jahren 2017 und 2018 insgesamt 2100 Dolmetsche­r vor allem wegen fachlicher Mängel von weiteren Einsätzen ausnahm.

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