Nur noch Biolebensmittel: Eine Studie erhitzt die Gemüter
Laut einer Forschergruppe könnte sich Österreich flächendeckend mit biologischer Nahrung versorgen. Doch nicht nur Kritiker orten zahlreiche Stolpersteine.
WIEN. In der Theorie wäre es so einfach: Würden die Österreicher um zehn Prozent weniger Fleisch essen oder stattdessen 25 Prozent weniger Lebensmittel in den Mistkübel werfen, könnte das Land seine Bewohner flächendeckend mit biologischer Nahrung versorgen. Zu diesem Schluss kommt zumindest eine Studie des Zentrums für Globalen Wandel der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien und des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL), die am Mittwoch präsentiert wurde.
Die Konsequenzen wären durchwegs positive: Weniger Abhängigkeit von Futterimporten und eine gesündere Umwelt, wegen des Umstiegs von konventioneller auf biologische Landwirtschaft. Die Forscher haben errechnet, dass die Österreicher jährlich 6,816 Milliarden Kilokalorien für ihre Ernährung benötigen. Beim gegenwärtigen Ernährungsstil mit übermäßig hohem Fleischkonsum und sehr vielen vermeidbaren Lebensmittelabfällen sei ausschließlich Bio nicht möglich. Denn die Erträge durch Biolandbau sind geringer als die der extensiven Landwirtschaft. Bio schafft lediglich 6,599 Milliarden Kilokalorien.
Wenig Begeisterung für die Resultate der Studie zeigte Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger, der die Frage aufwirft, wer das alles bezahlen soll: „Schon heute arbeiten unsere Bauern nach höheren Standards als die übrige EU, doch der Markt gilt diese zusätzlichen Leistungen nicht ab.“Soll heißen: Biologisch produzieren zum Preis konventionell erzeugter Produkte wird nicht funktionieren. „Landwirtschaft ist kein Wunschkonzert.“
Dass Biolebensmittel in Österreich längst eine Erfolgsgeschichte sind, will Moosbrugger bei all seiner Kritik an der 100-Prozent-Studie nicht abstreiten: „Es werden bald 25 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen biologisch bewirtschaftet. Damit nimmt unser Land weltweit eine Vorreiterrolle ein.“Im Lebensmittelhandel betrage der Bioanteil beinahe neun Prozent, ein stetig wachsender Anteil heimischer Bioprodukte werde exportiert. Für Moosbrugger ist klar: Die Studie habe die Konsumenten nicht miteinbezogen: „Sie bestimmen mit ihrem Kaufverhalten, wie viele Biolebensmittel erzeugt werden sollen.“
Geht es nach Cornelia Ecker, Geschäftsführerin der Biometzgerei Hainz in Bürmoos (Salzburg), dann kippt ebendieses Kaufverhalten immer mehr auf die biologische Seite. Beim Ab-Hof-Verkauf und auf den Märkten bemerke sie seit Jahren einen steilen Anstieg, was die Nachfrage nach biologisch produzierten Lebensmitteln betreffe. „Doch von allein geht das natürlich nicht.“Was Ecker meint: „Wir müssen den biologischen Gedanken noch viel mehr leben. Allen voran die Politik. Da heißt es immer, wir seien der Feinkostladen Europas – aber wir bräuchten viel mehr Förderungen, um den Bauern beim Umstieg von konventionellem Anbau auf biologischen zu helfen.“
Noch deutlicher wird Biopionier Robert Harmer: „Natürlich könnten wir uns alle biologisch ernähren, das ist schon lange keine Fantasie mehr.“Er baut in Alt-Prerau im Weinviertel, direkt an der Grenze zu Südmähren, seit vielen Jahren hochwertiges Getreide an. Harmer geht sogar noch einen Schritt weiter: „Wir werden es sogar müssen.“
Er verweist auf „ausgelaugte und ausgewaschene Böden“, und auf den „industriellen HightechZugang zur Landwirtschaft“, der seiner Ansicht nach „am Ende ist“. Ebenso wie Biometzgerin Cornelia Ecker ist Harmer davon überzeugt, dass man in den Schulen ansetzen müsse, „um das Thema für die jungen Leute spannender zu machen“. An biologischer Ernährung führe kein Weg vorbei. Allein schon, um die Kosten im Gesundheitswesen zu senken. Ecker bringt es auf den Punkt: „Sich ausschließlich biologisch zu ernähren ist eine schöne Geschichte. Aber es gehört viel dazu.“Als Biolandwirt habe man mehr Arbeit, aber weniger Ertrag. Dafür könne man auf Pestizide für die Pflanzen und Medikamente für die Tiere verzichten. Was die Konkurrenz betreffe, so blieben sämtliche Befürchtungen unbestätigt: „Dass die Supermärkte mittlerweile voll die Bioschiene fahren, hat sich bei uns überhaupt nicht bemerkbar gemacht. Im Gegenteil: Der Bedarf ist nach wie vor da. Er steigt sogar.“