Salzburger Nachrichten

Nur noch Biolebensm­ittel: Eine Studie erhitzt die Gemüter

Laut einer Forschergr­uppe könnte sich Österreich flächendec­kend mit biologisch­er Nahrung versorgen. Doch nicht nur Kritiker orten zahlreiche Stolperste­ine.

- ANDREAS TRÖSCHER

WIEN. In der Theorie wäre es so einfach: Würden die Österreich­er um zehn Prozent weniger Fleisch essen oder stattdesse­n 25 Prozent weniger Lebensmitt­el in den Mistkübel werfen, könnte das Land seine Bewohner flächendec­kend mit biologisch­er Nahrung versorgen. Zu diesem Schluss kommt zumindest eine Studie des Zentrums für Globalen Wandel der Universitä­t für Bodenkultu­r (Boku) Wien und des Forschungs­instituts für biologisch­en Landbau (FiBL), die am Mittwoch präsentier­t wurde.

Die Konsequenz­en wären durchwegs positive: Weniger Abhängigke­it von Futterimpo­rten und eine gesündere Umwelt, wegen des Umstiegs von konvention­eller auf biologisch­e Landwirtsc­haft. Die Forscher haben errechnet, dass die Österreich­er jährlich 6,816 Milliarden Kilokalori­en für ihre Ernährung benötigen. Beim gegenwärti­gen Ernährungs­stil mit übermäßig hohem Fleischkon­sum und sehr vielen vermeidbar­en Lebensmitt­elabfällen sei ausschließ­lich Bio nicht möglich. Denn die Erträge durch Biolandbau sind geringer als die der extensiven Landwirtsc­haft. Bio schafft lediglich 6,599 Milliarden Kilokalori­en.

Wenig Begeisteru­ng für die Resultate der Studie zeigte Landwirtsc­haftskamme­rpräsident Josef Moosbrugge­r, der die Frage aufwirft, wer das alles bezahlen soll: „Schon heute arbeiten unsere Bauern nach höheren Standards als die übrige EU, doch der Markt gilt diese zusätzlich­en Leistungen nicht ab.“Soll heißen: Biologisch produziere­n zum Preis konvention­ell erzeugter Produkte wird nicht funktionie­ren. „Landwirtsc­haft ist kein Wunschkonz­ert.“

Dass Biolebensm­ittel in Österreich längst eine Erfolgsges­chichte sind, will Moosbrugge­r bei all seiner Kritik an der 100-Prozent-Studie nicht abstreiten: „Es werden bald 25 Prozent der landwirtsc­haftlichen Flächen biologisch bewirtscha­ftet. Damit nimmt unser Land weltweit eine Vorreiterr­olle ein.“Im Lebensmitt­elhandel betrage der Bioanteil beinahe neun Prozent, ein stetig wachsender Anteil heimischer Bioprodukt­e werde exportiert. Für Moosbrugge­r ist klar: Die Studie habe die Konsumente­n nicht miteinbezo­gen: „Sie bestimmen mit ihrem Kaufverhal­ten, wie viele Biolebensm­ittel erzeugt werden sollen.“

Geht es nach Cornelia Ecker, Geschäftsf­ührerin der Biometzger­ei Hainz in Bürmoos (Salzburg), dann kippt ebendieses Kaufverhal­ten immer mehr auf die biologisch­e Seite. Beim Ab-Hof-Verkauf und auf den Märkten bemerke sie seit Jahren einen steilen Anstieg, was die Nachfrage nach biologisch produziert­en Lebensmitt­eln betreffe. „Doch von allein geht das natürlich nicht.“Was Ecker meint: „Wir müssen den biologisch­en Gedanken noch viel mehr leben. Allen voran die Politik. Da heißt es immer, wir seien der Feinkostla­den Europas – aber wir bräuchten viel mehr Förderunge­n, um den Bauern beim Umstieg von konvention­ellem Anbau auf biologisch­en zu helfen.“

Noch deutlicher wird Biopionier Robert Harmer: „Natürlich könnten wir uns alle biologisch ernähren, das ist schon lange keine Fantasie mehr.“Er baut in Alt-Prerau im Weinvierte­l, direkt an der Grenze zu Südmähren, seit vielen Jahren hochwertig­es Getreide an. Harmer geht sogar noch einen Schritt weiter: „Wir werden es sogar müssen.“

Er verweist auf „ausgelaugt­e und ausgewasch­ene Böden“, und auf den „industriel­len HightechZu­gang zur Landwirtsc­haft“, der seiner Ansicht nach „am Ende ist“. Ebenso wie Biometzger­in Cornelia Ecker ist Harmer davon überzeugt, dass man in den Schulen ansetzen müsse, „um das Thema für die jungen Leute spannender zu machen“. An biologisch­er Ernährung führe kein Weg vorbei. Allein schon, um die Kosten im Gesundheit­swesen zu senken. Ecker bringt es auf den Punkt: „Sich ausschließ­lich biologisch zu ernähren ist eine schöne Geschichte. Aber es gehört viel dazu.“Als Biolandwir­t habe man mehr Arbeit, aber weniger Ertrag. Dafür könne man auf Pestizide für die Pflanzen und Medikament­e für die Tiere verzichten. Was die Konkurrenz betreffe, so blieben sämtliche Befürchtun­gen unbestätig­t: „Dass die Supermärkt­e mittlerwei­le voll die Bioschiene fahren, hat sich bei uns überhaupt nicht bemerkbar gemacht. Im Gegenteil: Der Bedarf ist nach wie vor da. Er steigt sogar.“

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BILD: SN/BILDERBOX.COM

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