Für die EU-Familie wird Italien zum Kummerkind
So groß ist der Verdruss über die politische Kaste, dass eine Mehrheit der Italiener sagt: Die Neuen sollen es probieren.
Europaweit herrscht Entsetzen angesichts der sich in Italien neu bildenden Regierung. Die sonderbare Koalition aus rechtspopulistischer Lega und linkspopulistischer Fünf-Sterne-Bewegung weckt mit ihrem Programm die schlimmsten Befürchtungen. Kaum finanzierbare Forderungen könnten die enorme Verschuldung des Landes weiter steigern und die Stabilität der Eurozone gefährden.
Natürlich hat Europa auf eine günstigere Regierungskonstellation in Rom gehofft, etwa eine Koalition aus den Fünf Sternen und den Sozialdemokraten von Ex-Premier Matteo Renzi. Auch deshalb haben die anderen EU-Staaten nach der Italien-Wahl so lange stillgehalten. Aber es nützt den Europäern nichts, in eine Schockstarre oder eine Angst-Panik zu verfallen, weil auf den Triumph der Populistenparteien tatsächlich eine populistische Regierung folgt.
Mit der Lega und den Fünf Sternen rücken jene Kräfte in die Regierung, welche die Wahl gewonnen haben, ob es uns gefällt oder nicht. Dieser Schwenk ist nicht aus heiterem Himmel gekommen. Längst war es zu erwarten, dass die Flüchtlingsfrage bei einem Teil des Wahlvolks zur Explosion führt; sie hat das starke Votum für die Lega bewirkt. An diesem Aufruhr haben die EU-Partner einen Anteil, weil sie Italien mit dem Problem so lange alleingelassen haben. Dass Italiens etablierte Parteielite durch mangelnden Reformeifer nichts an der wirtschaftlichen Stagnation geändert hat und damit die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter aufgerissen ist, hat den Erfolg der Fünf Sterne beflügelt.
Auch die EU-Partner müssen mit den neuen Regierenden in Rom umgehen. Also mit ihnen reden und versuchen, sie politisch einzubinden. Man kann auch im Fall Italien auf diesen Effekt vertrauen: In der Opposition lässt sich billig Protest mobilisieren. Aber die Protestpolitiker werden jetzt mit der Realität des Regierens zusammenstoßen. Schon bisher haben Lega und Fünf Sterne unrealistische Programmpunkte einkassiert. Sollte das neue Politpersonal unfähig sein zur Lösung der Probleme, wird es schnell wieder von der Bühne stürzen.
Allerdings müssen die EU-Partner den richtigen Ton für den Umgang mit denen in Rom finden. Auf laute Belehrungen aus Brüssel oder Berlin reagieren die Populisten schnell bockig. Strikt, aber sachlich sollten die anderen Mitgliedsländer auf die Einhaltung der EU-Regeln dringen. Möglicherweise kann der französische Präsident Emmanuel Macron mit seinen EU-Reformideen sogar als Mediator wirken.