Bremse für die Kassenreform
Die Pläne der Regierung zur Fusionierung der Krankenkassen könnten an der Verfassung scheitern, sagen Juristen.
WIEN. Die EU lobt die Regierung, die Neos sprechen von einem „Marketing-Gag“, in den Gebietskrankenkassen werden Protestunterschriften gesammelt. Das alles passierte am Tag drei, nachdem die Regierung ihre Pläne für die Fusion der Krankenkassen präsentiert hatte.
Wie berichtet, sollen die neun Gebietskrankenkassen zu einer Österreichischen Gesundheitskasse zusammengelegt werden. Weiter sollen die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) und die Bauernkasse fusioniert werden. Die Kasse der Eisenbahner kommt zur Beamtenversicherung (BVA).
Allerdings: Ob all diese Pläne einfach per Gesetz umgesetzt werden können, daran zweifeln Verfassungsrechtler. Theo Öhlinger etwa ist der Meinung, dass manche Vorstellungen der Regierung die Verfassung verletzen und nicht umgesetzt werden können. Als wichtigsten Punkt nennt der Jurist den Vorschlag der Regierung, den neuen Verwaltungsrat der Österreichischen Gesundheitskasse je zur Hälfte mit Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu besetzen. Selbstverwaltung bedeute, dass sich die Versicherten um ihre Belange selbst kümmerten, sagt Öhlinger. Die Versicherten der GKK seien die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und nicht die Unternehmen. Diese zahlten zwar für ihre Dienstnehmer Beiträge in die Sozialversicherung ein, ihre Interessen seien aber nicht gleichrangig mit denen Arbeitnehmer. Eine Aufteilung der Sitze im Verwaltungsrat 50:50 sei daher mit der Verfassung nicht vereinbar. Derzeit ist per Gesetz eine Verteilung der Sitze in den Verwaltungsgremien der Sozialversicherungen von 75 (Arbeitnehmer) zu 25 Prozent (Arbeitgeber) vorgesehen.
Außerdem sieht die Verfassung vor, dass die Bestellung der Organe der Sozialversicherungen demokratisch erfolgen muss. Das Modell der Sozialversicherungsträger – gewählte Vertreter der Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer besetzen die Gremien – wurde vom Verfassungsgerichtshof als demokratisch und verfassungskonform anerkannt. Dies, obgleich die Mitglieder nur indirekt demokratisch legitimiert seien, sagt der Verfassungsrechtler.
Wenn Regierungsmitglieder Vertreter ernennen oder von weisungsgebundenen Gremien bestellen lassen bzw. auf die Sozialversicherungen durchgreifen, wäre dies ein Eingriff in die Selbstverwaltung und verfassungswidrig.
Ein weiterer Punkt, den der Verfassungsjurist kritisch sieht: die geplante Einhebung der Beiträge durch die Finanzämter. Die Einhebung und Prüfung der Beiträge sei ein wesentliches Merkmal der Selbstverwaltung. Wenn dies geändert werde, dann müssten die Kassen die Arbeitsweise der Finanzämter kontrollieren können. Bleibe die Regierung bei ihren Plänen, werde es wohl Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof geben, ist Öhlinger überzeugt. Es sei denn, die Regierung finde eine Oppositionspartei, die ihr helfe, die Verfassung zu ändern. Dafür sind zwei Drittel der Abgeordneten im Parlament notwendig.
Die Salzburger Gebietskrankenkasse sammelt inzwischen weiter Unterstützer der „Salzburger Deklaration“. Gebietskrankenkassen und Ärztekammern hatten sich darin für die Beibehaltung der eigenständigen GKK ausgesprochen, da nur so die regionale Gesundheitsversorgung garantiert werden könne. In Salzburg unterstützen bereits 33 Einrichtungen und Unternehmen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich die Deklaration, darunter die Landes-Apothekerkammer, die Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin, der Salzburger Landesverband für Psychotherapie, die Selbsthilfe Salzburg, Sanitätshäuser und Medizintechnik-Unternehmen sowie Pro Mente.
„Die geplante Besetzung der Gremien ist ein rechtliches Problem.“