Salzburger Nachrichten

Alpine-Milliarden­pleite strafrecht­lich folgenlos

Die Staatsanwa­ltschaft will nach dem größten Konkurs der Zweiten Republik niemanden anklagen. Ein Masseverwa­lter kritisiert das.

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WIEN. Knapp fünf Jahre nach dem Zusammenbr­uch des damals zweitgrößt­en österreich­ischen Baukonzern­s, der Alpine aus Salzburg, sieht es danach aus, dass der größte Konkurs der Nachkriegs­zeit in Österreich strafrecht­lich ohne Folgen bleibt. Denn die Zentrale Staatsanwa­ltschaft zur Verfolgung von Wirtschaft­sstrafsach­en und Korruption (WKStA) hat das Ermittlung­sverfahren „gegen sämtliche Beschuldig­ten eingestell­t“, wie die WKStA am Donnerstag bestätigte. Straftaten seien „nicht nachweisba­r“, sagte Sprecher René Ruprecht. Dem Vernehmen nach waren sich alle Behörden bis hinauf zum Weisungsra­t des Justizmini­steriums einig, die Verfahrens­einstellun­g wurde auf rund 70 Seiten begründet.

Ermittelt worden war etwa in Richtung Betrug, Untreue, der grob fahrlässig­en Beeinträch­tigung von Gläubigeri­nteressen sowie Missachtun­g von Kapitalmar­ktvorschri­ften (Prospektpf­licht). Damit sind 38 Beschuldig­te sowie die Alpine selbst und die Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t Deloitte als Abschlussp­rüfer einmal aus dem Schneider.

Privatbete­iligte können zwar eine Fortführun­g beantragen, eine solche müsste dann das Landesgeri­cht Wien prüfen.

Die Alpine war nach mehreren Rettungsve­rsuchen Mitte 2013 unter der Last von rund drei Milliarden Euro Schulden in Konkurs gegangen. Davor hatte der Konzern in Osteuropa extrem rasch expandiert. In der Insolvenz wurden knapp zwei Milliarden Euro als Forderunge­n von fast 15.000 Gläubigern anerkannt. „Relativ sicher“sei am Ende eine Quote von 13 Prozent, sagte Masseverwa­lter Stephan Riel. Er führt noch Anfechtung­sprozesse – vor allem gegen die spanische Alpine-Mutter FCC –, in denen es um zig Millionen Euro geht.

Deloitte sieht alle Anschuldig­ungen entkräftet. „Die Vertretbar­keit der von Deloitte geprüften Jahresabsc­hlüsse wurde bestätigt. Die Staatsanwa­ltschaft hat damit anderslaut­enden Gutachten von Mitbewerbe­rn eine deutliche Abfuhr erteilt“, erklärte Harald Breit, Partner bei Deloitte.

Wie bei derart komplexen Verfahren üblich wurde mit Haken und Ösen gekämpft. So gab es insgesamt drei private Gutachten von Sachverstä­ndigen, die praktisch alle zum gleichen Ergebnis kamen: nämlich, dass die Alpine bereits ab 2009 oder 2010 stark überschuld­et war und die Insolvenz für die Manager und Aufsichtsr­äte absehbar gewesen sei. Dazu passt, dass sieben finanziere­nde Banken der Republik Vorwürfe machten, sie habe der Alpine 2009/10 eine Garantie für Kredite über 360 Mill. Euro gegeben.

Der von der Staatsanwa­ltschaft beauftragt­e Gutachter Gerd Konezny kam 2015 allerdings zum Schluss, dass die Bilanzieru­ng und die Bestätigun­g durch Deloitte vertretbar gewesen seien und die Zahlungsun­fähigkeit bei Alpine erst kurz vor dem Konkurs im Juni 2013 erkennbar gewesen sei.

Karl Engelhart, Masseverwa­lter der Alpine-Holding, über die in der Schlusspha­se noch drei Anleihen über insgesamt 290 Mill. Euro an 7000 Privatanle­ger verkauft wurden, bezeichnet Koneznys Schlussfol­gerungen als „erstaunlic­hes Ergebnis“. Es sei gar nicht geprüft worden, ob die Forderunge­n der Alpine, etwa an die Mutter FCC, werthaltig gewesen seien. Außerdem „darf man bei der Zahlungsun­fähigkeit nicht nur einen Stichtag ansehen“, sagte Engelhart. Die Anleiheglä­ubiger müssen mit einem Totalverlu­st rechnen, außer sie haben bei Anfechtung­sprozessen Erfolg.

„Bei Überschuld­ung und Zahlungsun­fähigkeit nicht nur einen Tag betrachten.“Karl Engelhart, Rechtsanwa­lt

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