Salzburger Nachrichten

Eltern verweigert­en erneut das Testen ihrer Schulkinde­r

Gegen die „Testitis“machen Eltern von Volksschül­ern mobil. Sie bekommen viel Zuspruch und wollen jetzt andere Mitstreite­r ins Boot holen.

- BARBARA HAIMERL

SALZBURG-STADT. Die Eltern von 13 Viertklass­lern der Volksschul­e des Diakonieve­reins in Salzburg machten ihre Ankündigun­g am Donnerstag wahr: Wie schon in der Vorwoche boykottier­ten sie die Überprüfun­g des Bildungsst­andards ihrer Kinder in Mathematik und ließen die Mädchen und Buben in den ersten zwei Schulstund­en zu Hause.

Das Bundesinst­itut für Bildungsfo­rschung (Bifie) überprüft regelmäßig in ganz Österreich die Kompetenze­n der Schüler. Weil der Großteil der Klasse nicht an der Standardüb­erprüfung teilgenomm­en hatte, war für Donnerstag die Wiederholu­ng anberaumt worden.

„Wir haben viele positive Reaktionen aus anderen Elternvere­inen, aber auch von Lehrern bekommen“, sagt Elternvert­reterin Gudrun Memmer-Ehrlich. Zwar sehe das Bifie-Gesetz die verpflicht­ende Teilnahme der Kinder vor, sagt Jurist Josef Hörmanding­er, dessen Sohn ebenfalls die Klasse besucht. Die Standardüb­erprüfung sei aber kein Unterricht, daher bestehe keine Schulpflic­ht. Ihn stört, dass die Kinder während der gesamten Schulzeit getestet werden. „Dahinter steckt immer auch eine politische Bewertung.“Man wisse genug über das Bildungssy­stem, um es zu verbessern. „Dafür müssen wir nicht unsere Kinder als Versuchska­ninchen herleihen.“Die Mitglieder der Elterninit­iative seien keine „Wissenscha­ftsverweig­erer“. Im Gegenteil. „Es kommt aber darauf an, wie und welche Daten erhoben werden.“Viele Eltern wüssten gar nicht, dass die Testung stattfinde, sagt Memmer-Ehrlich. Sie pocht auf Wahlfreihe­it. Außerdem stört die Eltern, dass mit Fragebögen zum sozioökono­mischen Umfeld indirekt personenbe­zogene Daten erhoben werden. Zudem werde der Unterricht in vielen Schulen auf die Überprüfun­gen abgestellt. Die Eltern werden nun einen offenen Brief an Pflichtsch­ulen und Elternvere­ine schicken.

Der Bundeselte­rnverband kämpfe seit Jahren gegen die Kontextfra­gebögen, sagt Präsident Gernot Schreyer. „Damit werden unsere Kinder durch die Hintertür über das Elternhaus ausgefragt.“Unterstütz­ung für „die mutige Aktion der Eltern“äußern Sigi Gierzinger und Katharina Moltinger von den freien Gewerkscha­ftern Österreich (PFG). Sie fordern ein Ende der Testungen in der jetzigen Form.

Verständni­s für die Entscheidu­ng der Eltern hat Eva Kothbauer-Habersatte­r, Geschäftsf­ührerin des Diakonieve­reins. Grundsätzl­ich habe der Diakonieve­rein nichts gegen Überprüfun­gen, um gezielt Bildungspo­litik machen zu können. „Den Eltern wird aber glaubhaft gemacht, dass die Anonymität der Kinder gewahrt sei, das ist aber nicht so.“

Roland Bieber vom Landesschu­lrat sieht das anders: „Die Überprüfun­g ist keine bösartige Intention, sondern dient der Qualitätss­icherung und Verbesseru­ng.“Die Datensiche­rheit sei gegeben. „Das Bifie ist ja kein Wald-und-Wiesen-Institut, sondern arbeitet auf hohem Niveau.“

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BILD: SN/ROBERT RATZER Auch Elternvert­reterin Gudrun Memmer-Ehrlich und Jurist Josef Hörmanding­er ließen ihre Söhne zu Hause.

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