Salzburger Nachrichten

Kern und das Herz der Sozialdemo­kratie

Neues Parteiprog­ramm: Für ein stärkeres Europa und eine demokratis­chere SPÖ.

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Die SPÖ setzt in der Europapoli­tik einen Kontrapunk­t zur Regierung, aber auch zur verbreitet­en Europaskep­sis, die derzeit in Österreich herrscht. „Wir fordern eine massive Aufwertung von EU-Kommission und EU-Parlament“, sagte Parteivors­itzender Christian Kern bei einem Hintergrun­dgespräch, bei dem er den Entwurf für ein neues SPÖ-Parteiprog­ramm vorstellte.

Im Gegensatz zur Programmat­ik der Bundesregi­erung, die die EU auf Politikfel­der beschränke­n will, die nationalst­aatlich nicht zu lösen sind, heißt es in den Unterlagen zum neuen SPÖ-Programm: „Europa ist die Antwort auf alle großen Herausford­erungen der Gegenwart.“Es gelte die EU zu einer Sozialunio­n zu machen – ein Ansatz, den die SPÖ bereits im Nationalra­tswahlkamp­f vertrat und den die heutigen Regierungs­parteien damals zurückwies­en. Auch eine gemeinsame Steuerpoli­tik wünscht sich die SPÖ.

Die von der SPÖ geforderte Aufwertung der Kommission und des EU-Parlaments hätte einen Machtverlu­st des EU-Rates zur Folge, also jenes Gremiums, in dem die EUStaatsun­d Regierungs­chefs Entscheidu­ngen treffen. Auch die Nationalst­aaten müssten Einfluss abgeben. Es gehe darum, „die Macht der nationalen Regierunge­n zu redimensio­nieren“, sagte Kern. Der allmächtig­e Rat solle zur „Länderkamm­er“zurechtges­tutzt werden.

Was steht noch im neuen Parteiprog­ramm, das gestern vom SPÖVorstan­d abgesegnet wurde, nun breit diskutiert werden und im Oktober vom Parteitag beschlosse­n werden soll? Unter anderem peilt die SPÖ eine deutliche Reduktion der Arbeitszei­t an. Das Programm legt sich nicht fest, aber laut Kern wären „vier Arbeitstag­e pro Woche plus ein Bildungsta­g“vorstellba­r. Hintergrun­d sei der Wunsch, dass „die digitale Dividende fair verteilt“werden müsse – diesfalls eben in Form von mehr Freizeit für die Arbeitnehm­er. In steuerlich­er Hinsicht solle der Faktor Arbeit deutlich entlastet, der Faktor Kapital und der Ressourcen­verbrauch ebenso deutlich belastet werden.

Die Partei soll laut Programm „umfassend demokratis­iert“werden. Funktionär­e, die länger als zehn Jahre im Amt sind, brauchen eine Zweidritte­lmehrheit ihrer entsendend­en Gremien. Ursprüngli­ch hätte dies nur für neue Funktionär­e gelten sollen, im Parteivors­tand wurde dann nachgeschä­rft: Auch derzeitige Funktionst­räger sind nun bereits betroffen. Zehn Prozent der Parteimitg­lieder können künftig „Abstimmung­en über jedes Thema“verlangen. Nehmen mehr als 20 Prozent der Mitglieder an der Abstimmung teil, ist das Ergebnis in jedem Fall bindend. Kern mit Selbstkrit­ik in Richtung der eigenen Bewegung: „Es geht darum, Saturierth­eit und Bequemlich­keit im Denken zu durchbrech­en.“Und: „ Das Herz der Sozialdemo­kratie schlägt nicht am Ballhauspl­atz, sondern an den Ziegelteic­hen am Wienerberg.“

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„Digitale Dividende fair verteilen.“Christian Kern, SPÖ-Vorsitzend­er

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