Salzburger Nachrichten

Die Türkische Lira stürzt weiter ab

Erdoğan und seine AKP-Regierung lassen das Land in eine Währungskr­ise schlittern.

- SN, n-ost, höh

Es war keine gute Woche für die Türkische Lira: Am Mittwoch verlor sie gegenüber Dollar und Euro zeitweilig mehr als fünf Prozent ihres Werts. Damit beschleuni­gt sich der seit Monaten anhaltende Kurssturz der türkischen Währung. In den zurücklieg­enden zwölf Monaten hat die Lira gegenüber dem Dollar mehr als ein Drittel ihres Werts verloren.

Gründe sind zwar auch die Zinswende in den USA und der stärkere Dollar. Dadurch verlieren Investitio­nen in Schwellenl­ändern wie der Türkei an Reiz. Hauptursac­he des Lira-Absturzes ist aber die Sorge vor Instabilit­ät in der Türkei, deren Wirtschaft nach künstlich angefachte­m Rekordwach­stum eine harte Landung bevorstehe­n könnte.

Vizepremie­r und Regierungs­sprecher Bekir Bozdağ erklärt den Absturz anders: Im Gespräch mit der staatliche­n Nachrichte­nagentur Anadolu machte er ein gegen die Türkei gerichtete­s „Komplott“verantwort­lich. Es seien Kräfte am Werk, die mit Manipulati­onen der Wechselkur­se „der Nation schaden“und die für 24. Juni angesetzte­n Parlaments- und Präsidente­nwahlen beeinfluss­en wollten. Auch der Istanbuler Börsenchef Himmet Karadağ spricht von einer „Verschwöru­ng“.

Marktbeoba­chter sehen den starken Kursverfal­l als Alarmsigna­l. Die jüngste Entwicklun­g sei das „offensicht­liche Symptom einer Währungskr­ise“, warnte Ulrich Leuchtmann, Analyst bei der Commerzban­k. Dass sich die Regierung weigere, die Fakten anzuerkenn­en, sei „Teil der üblichen Entwicklun­g einer solchen Krise“. Die schwache Lira verbilligt zwar Exporte, verteuert aber die Einfuhren und bringt immer mehr Unternehme­n in Schwierigk­eiten, die mit Lira-Erlösen Fremdwähru­ngskredite bedienen müssen. Die Zentralban­k dürfte nun unter Druck kommen, die Leitzinsen anzuheben, um die Lira zu stabilisie­ren. Staatschef Recep Tayyip Erdoğan hat sich jedoch wiederholt gegen höhere Zinsen ausgesproc­hen. Er vertritt die unorthodox­e Auffassung, dass eine hohe Inflation – in der Türkei fast elf Prozent – mit Zinssenkun­gen bekämpft werden müsse.

Kürzlich kündigte er an, er werde nach den Wahlen die Geldpoliti­k an sich ziehen. Die Aussicht, dass Erdoğan die Währungshü­ter entmachten will, sorgt für zusätzlich­e Verunsiche­rung.

„Entwicklun­g des Lira-Kurses ist Symptom einer Währungskr­ise.“Ulrich Leuchtmann, Analyst

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