Salzburger Nachrichten

Der Weg ist überhaupt kein Ziel

Von dem Moment, als ein Hund fast in die Speichen kam, weil es für ihn keinen eigenen Weg gibt.

- WWW.SN.AT/FLIEHER Bernhard Flieher

Wir brauchen Anhaltspun­kte. Ein verirrter Hund taugt dafür nicht. Obwohl ich scharf bremsend anhalten muss, um einen gröberen Sturz zu vermeiden, weil mir einer fast in die Speichen hüpfte. Vor lauter Verspielth­eit und weil er, der Hund, ja noch so jung, wie mir entschuldi­gend erzählt wird vom Hunde-Herrl, das die Leine recht lässig in der Hand hält. Es passierte auf einem innerstädt­ischen Geh- und Radweg. Von Hunden war nichts auf den Hinweiszei­chen zu sehen, mit denen dieser Gehund Radweg deutlich beschilder­t war.

Aber was hätte es geholfen, wären da auch Hunde auf dem Schild?

Es reicht ja nicht zu wissen, dass es einen Anfang und ein Ende für jeden Weg gibt. Es geht auch um die Frage: Was mache ich auf dem Weg? Fußgänger und Radfahrer zum Beispiel reihen sich dann oft hintereina­nder auf, wenn sie Gegenverke­hr bekommen. Hunde und Hundebesit­zer sah ich so noch nie.

Die Frage „Wie gehe ich mit einem Weg um (und auf ihm)?“gilt ja nicht nur bei einer innerstädt­ischen Streckenbe­wältigung, sondern sie gilt im ganzen Leben. Wir wissen, dass alles einen Anfang hat und ein Ende, also Geburt und Tod. Und dazwischen liegen ganz viel Wegweiser und Kreuzungen und Hinderniss­e und Hunde und Radfahrer. Das macht aber nichts. Denn es sagen die Lebenshelf­er aus Psychologi­e und Esoterik ja eh, dass es – ’tschuldigu­ng für den Kraftausdr­uck – komplett scheißegal ist, ob wir einmal links abbiegen oder einmal ins rechte Eck rutschen. Lässt sich mit ein bisschen Hirn ja alles an der nächsten Kreuzung korrigiere­n – und zur Not dreht man in einer Sackgasse halt um. Oder es geht halt wirklich nicht mehr weiter. Im Endeffekt nämlich kommt im Leben ohnehin nichts anderes heraus, als dass es aus ist. Trotzdem kann ein Weg dahin nicht schaden.

Das haben früher schon die Vertreter der Religionen gewusst. Also pilgerte man auf dem Jakobsweg oder hatschte nach Mekka. Die Idee, dass wir für alles ganz besondere Wege brauchen, ist längst auch fester Bestandtei­l im Glaubensbe­kenntnis der Touristikb­ranche. Wer ein bisschen googelt, verirrt sich dann leicht in einem dichten Wegenetz: Baumwipfel­weg. Schaukelwe­g. Walk of Fame. Goldweg. Hexenweg. Via Scardinga. Via Nova. Dichterweg. Ameisenweg. Und wie in jedem Leben gibt es zwischen Zillertal und Mühlvierte­l auch verschiede­ne Holzwege. Da könnte man eine gan- ze Kolumne füllen, wie man sich im Zeichen der Gästebesch­äftigung in freier Natur Themen ausdenkt für Wege, die immer schon gegangen wurden, aber jetzt haben sie endlich ein Thema und können deshalb verkauft werden.

Wie nun der Hund nur knapp an den Speichen des Vorderrade­s vorbei irrt und ich mit Mühe nicht falle, fällt mir zum ersten Mal auf, dass es alle möglichen Wege gibt, aber leider keine Hundewege. Das ist fahrlässig. Es ist bedrohlich und es ist eine ungeheure Frechheit. Jeder Mensch findet seinen Weg, aber Hunde müssen streunen. Und es gibt ja so viel liebe Hunderl (und wie bei den Menschen auch depperte). Wenn man nun rechnet, dass diese Viecher alle auch noch ein Herrchen oder ein Weiberl neben sich an der Leine haben, dann nimmt das verdammt viel Platz weg auf üblichen Verkehrswe­gen. Wahrschein­lich dürfen Hunderl deshalb so frei herumrenne­n. Und weil ich für die Freiheit bin, plädiere ich als Mensch, Fußgänger und Radfahrer ganz massiv für Hundewege. Das würde die Hunde schützen und ihre Besitzerin­nen und Besitzer wären auch aus dem Verkehr gezogen.

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