Der Weg ist überhaupt kein Ziel
Von dem Moment, als ein Hund fast in die Speichen kam, weil es für ihn keinen eigenen Weg gibt.
Wir brauchen Anhaltspunkte. Ein verirrter Hund taugt dafür nicht. Obwohl ich scharf bremsend anhalten muss, um einen gröberen Sturz zu vermeiden, weil mir einer fast in die Speichen hüpfte. Vor lauter Verspieltheit und weil er, der Hund, ja noch so jung, wie mir entschuldigend erzählt wird vom Hunde-Herrl, das die Leine recht lässig in der Hand hält. Es passierte auf einem innerstädtischen Geh- und Radweg. Von Hunden war nichts auf den Hinweiszeichen zu sehen, mit denen dieser Gehund Radweg deutlich beschildert war.
Aber was hätte es geholfen, wären da auch Hunde auf dem Schild?
Es reicht ja nicht zu wissen, dass es einen Anfang und ein Ende für jeden Weg gibt. Es geht auch um die Frage: Was mache ich auf dem Weg? Fußgänger und Radfahrer zum Beispiel reihen sich dann oft hintereinander auf, wenn sie Gegenverkehr bekommen. Hunde und Hundebesitzer sah ich so noch nie.
Die Frage „Wie gehe ich mit einem Weg um (und auf ihm)?“gilt ja nicht nur bei einer innerstädtischen Streckenbewältigung, sondern sie gilt im ganzen Leben. Wir wissen, dass alles einen Anfang hat und ein Ende, also Geburt und Tod. Und dazwischen liegen ganz viel Wegweiser und Kreuzungen und Hindernisse und Hunde und Radfahrer. Das macht aber nichts. Denn es sagen die Lebenshelfer aus Psychologie und Esoterik ja eh, dass es – ’tschuldigung für den Kraftausdruck – komplett scheißegal ist, ob wir einmal links abbiegen oder einmal ins rechte Eck rutschen. Lässt sich mit ein bisschen Hirn ja alles an der nächsten Kreuzung korrigieren – und zur Not dreht man in einer Sackgasse halt um. Oder es geht halt wirklich nicht mehr weiter. Im Endeffekt nämlich kommt im Leben ohnehin nichts anderes heraus, als dass es aus ist. Trotzdem kann ein Weg dahin nicht schaden.
Das haben früher schon die Vertreter der Religionen gewusst. Also pilgerte man auf dem Jakobsweg oder hatschte nach Mekka. Die Idee, dass wir für alles ganz besondere Wege brauchen, ist längst auch fester Bestandteil im Glaubensbekenntnis der Touristikbranche. Wer ein bisschen googelt, verirrt sich dann leicht in einem dichten Wegenetz: Baumwipfelweg. Schaukelweg. Walk of Fame. Goldweg. Hexenweg. Via Scardinga. Via Nova. Dichterweg. Ameisenweg. Und wie in jedem Leben gibt es zwischen Zillertal und Mühlviertel auch verschiedene Holzwege. Da könnte man eine gan- ze Kolumne füllen, wie man sich im Zeichen der Gästebeschäftigung in freier Natur Themen ausdenkt für Wege, die immer schon gegangen wurden, aber jetzt haben sie endlich ein Thema und können deshalb verkauft werden.
Wie nun der Hund nur knapp an den Speichen des Vorderrades vorbei irrt und ich mit Mühe nicht falle, fällt mir zum ersten Mal auf, dass es alle möglichen Wege gibt, aber leider keine Hundewege. Das ist fahrlässig. Es ist bedrohlich und es ist eine ungeheure Frechheit. Jeder Mensch findet seinen Weg, aber Hunde müssen streunen. Und es gibt ja so viel liebe Hunderl (und wie bei den Menschen auch depperte). Wenn man nun rechnet, dass diese Viecher alle auch noch ein Herrchen oder ein Weiberl neben sich an der Leine haben, dann nimmt das verdammt viel Platz weg auf üblichen Verkehrswegen. Wahrscheinlich dürfen Hunderl deshalb so frei herumrennen. Und weil ich für die Freiheit bin, plädiere ich als Mensch, Fußgänger und Radfahrer ganz massiv für Hundewege. Das würde die Hunde schützen und ihre Besitzerinnen und Besitzer wären auch aus dem Verkehr gezogen.