Die Deutsche Bank definiert den Begriff Fehlerkultur völlig neu
Von Fehlbuchungen über Fehlentscheidungen – das größte deutsche Geldhaus bringt das Prinzip Versuch und Irrtum zur Perfektion.
Dass es für die Deutsche Bank derzeit gut läuft, kann man beim besten Willen nicht behaupten. Das einst so stolze und hoch angesehene größte Geldhaus des Landes schlingert ohne klare Richtung vor sich hin. Nun ruhen die Hoffnungen auf Neo-Vorstandschef Christian Sewing, der das Flaggschiff wieder auf Erfolgskurs bringen soll. Dass er vor radikalen Maßnahmen nicht zurückschreckt, hat er diese Woche klargemacht. Sewing will aus Fehlern der Vergangenheit lernen, und vor allem das Investmentbanking schrumpfen, auf das seine Vorgänger ganz stark setzten. Nach dem Umbau soll die Deutsche Bank wieder solider dastehen, oder wie Sewing bei der Hauptversammlung sagte: „Es wird uns nicht schaden, wenn wir ein bisschen langweiliger sind.“
Aus Fehlern lernen ist ein guter Anfang für einen Strategiewechsel. In großen Organisationen ist es allerdings oft genauso wichtig, auch Fehler zuzulassen. Viele Unternehmen verpassen sich daher eine neue Fehlerkultur, weil sie erkennen, dass Neues nur entsteht, wenn Mitarbeiter etwas ausprobieren können, auch wenn es das eine oder andere Mal schiefgeht. Banken müssen da freilich vorsichtiger zu Werke gehen als ein innovatives Start-up. Wenn es ums Geld geht, können die Maßstäbe zum Vermeiden von Fehlern nicht hoch genug sein. Die Deutsche Bank hat zuletzt aber einiges getan, um den Begriff Fehlerkultur neu zu definieren.
Zum Beispiel mit Fehlbuchungen. Im März wanderten 28 Mrd. Euro irrtümlich auf ein Konto bei der Terminbörse Eurex, glücklicherweise ein eigenes. Es war nicht der erste Fehler dieser Art. Schon 2014 hatte die Deutsche Bank 21 Mrd. Euro an die australische Macquarie Group überwiesen, als Sicherheit für eine außerbörsliche Transaktion. Auch diese Buchung war ein Irrtum und wurde rückabgewickelt. Ohne finanziellen Schaden, aber dem Image einer Bank ist so etwas nicht förderlich. Die Deutsche Bank folgt offenbar auch bei Fehlern der Maxime klotzen statt kleckern.
Wenn es läuft, dann läuft’s, im Guten wie im Schlechten. Im Pressetext über die Reduktion des Bilanzvolumens, die Sewing anpeilt, wurden aus 100 Milliarden 100 Millionen. Drei Nullen weniger war vielleicht die Richtschnur von Aufsichtsratschef Paul Achleitner beim abrupten Vorstandswechsel nach Ostern. Aber er selbst fügte der Fehlerkette bei der Hauptversammlung ein Glied hinzu, indem er eine Dividende von elf Euro statt elf Cent je Aktie avisierte. Für Achleitner gilt: Wenn man kein Glück hat, kommt oft Pech dazu. Aus Sicht der Aktionäre wäre es wohl kein Fehler, zöge er die Konsequenz aus seinen Fehlentscheidungen und sich selbst zurück. Aber was Selbstkritik beim Chefkontrollor angeht – Fehlanzeige. Die Mitarbeiter können nur hoffen, dass sich die Führung auch beim Personalabbau um die eine oder andere Kommastelle irrt. Das wäre eine willkommene neue Fehlerkultur in der Bank.