Poker um Flüssiggas
US-Präsident Donald Trump setzt die EU nicht nur mit geplanten Zöllen unter Druck.
In Brüssel und Berlin betrachten hochrangige Vertreter die jüngste Vorstöße von US-Präsident Donald Trump als Teil eines groß angelegten Plans, um bisher nicht konkurrenzfähiges US-Flüssiggas auf den europäischen Markt zu bringen. Indem über die Iran-Sanktionen ein wichtiger Konkurrent ausgeschaltet wird und Washington massiven politischen Druck gegen die RusslandPipeline Nord Stream 2 aufbaut.
Der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach das Thema am Freitag beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg an: „Der Verdacht drängt sich auf, dass die USA nicht aus Solidarität mit einigen europäischen Ländern, sondern aus eigensüchtigen Interessen versuchen, Nord Stream 2 zu verhindern.“Schröder verfolgt freilich als Präsident des Verwaltungsrats von Nord Stream 2 ebenfalls eigene Interessen.
Die USA wollten, sagte Schröder, ihr aus Fracking gewonnenes Erdgas „in den europäischen Markt drücken“.
Mit dem Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran führen die USA eine ganze Reihe von Wirtschaftssanktionen gegen Teheran wieder ein. „Die US-Sanktionen werden die iranischen Gasexporte Richtung Europa beeinträchtigen“, sagt ein EU-Vertreter. „Es handelt sich um einen neuen Versuch, eine Versorgungsquelle zu begrenzen, damit amerikanisches Flüssiggas leichter und ohne Konkurrenz nach Europa eingeführt werden kann.“
Marc-Antoine Eyl-Mazzega vom französischen Institut für internationale Beziehungen (Ifri) sagt: „Ich glaube nicht, dass dies das Hauptziel der Sanktionen gegen den Iran ist, aber sicher ein Nebeneffekt.“Klar sei, dass europäische Großkonzerne wegen der US-Sanktionen nun nicht mehr im Iran in die Gasförderung investieren würden.
Der Iran verfügt neben Russland über die größten Gasreserven der Welt. Das Land ist aber auf Unterstützung internationaler Konzerne angewiesen, um den Rohstoffschatz zu heben. Wegen der USSanktionen hat der französische Energieriese Total bereits erklärt, er werde ein milliardenschweres Gasprojekt aufgeben, sollte es aus Washington keine Ausnahme von USSanktionen geben.
Die Vereinigten Staaten von Amerika haben die Produktion von Schiefergas seit Jahren massiv hochgefahren und suchen weltweit Absatzmärkte. Im vergangenen Jahr wurden 17,2 Milliarden Kubikmeter exportiert. Lediglich 2,2 Prozent davon gingen in die EU. Das liegt auch daran, dass es in Europa bisher wenig Flüssiggasterminals gibt. Denn nur in dieser Form lässt sich das USGas über den Atlantik exportieren, das verteuert den Rohstoff.
Die Staaten der Europäischen Gemeinschaft müssen zwei Drittel ihres Gasbedarfs importieren, die Hälfte davon kommt aus Russland. Die EU-Kommission will daher die Abhängigkeit von Moskau verringern. Der Baubeschluss für Nord Stream 2 hatte deshalb Ende 2015 zu einer heftigen Kontroverse beim EU-Gipfel geführt. Nun macht Washington massiv gegen die Pipeline mobil. „Die Amerikaner träumen von einer Flüssiggasquote“, also einer garantierten Abnahmemenge durch Europa, heißt es aus deutschen Regierungskreisen.
Im Fokus der Lobbyisten der USA dürften Dänemark und Schweden stehen. Beide Länder müssen den Bau der Pipeline durch die Ostsee genehmigen. Abblocken will auch die deutsche Regierung Trumps Flüssiggasoffensive nicht.
Die EU-Staats- und -Regierungschefs boten im Handelsstreit Zugeständnisse bei der Lieferung von US-Flüssiggas für künftige Gespräche an.