Ferrari kämpft um seinen Ruf
Nach Vorwürfen der Manipulation mit einer Software zum Abrufen von erhöhter Leistung steht Sebastian Vettels Arbeitgeber in Monaco unter Beobachtung des Automobil-Weltverbandes.
Haben die Leute bei Ferrari geschummelt oder haben sie nicht? Vor dem traditionellen Großen Preis von Monaco am Sonntag (Start 15.10 Uhr) steht der Rennstall mit der imponierendsten Vergangenheit im Fokus. Es geht um eine Batterie-Software, die bei Bedarf ein wenig mehr Leistung lockermachen kann, und damit wären vom Reglement vorgegebene Grenzen überschritten. „Alles legal“, heißt es bei Ferrari und das Team präsentierte dem Automobil-Weltverband (FIA) in Monaco die Daten. Offiziell steht Ferrari im Fürstentum unter Beobachtung.
Die Konkurrenz mit Mercedes an der Spitze bleibt skeptisch. Von den Othmar Behr berichtet für die SN aus Monte Carlo Chefs spricht Niki Lauda offen von Grauzonen, die man auch bei Ferrari nicht dulden dürfe, und Toto Wolff drückt sich diplomatischer aus: „Ich vertraue der FIA, dass sie die Angelegenheit im Griff hat.“Ferrari soll sich auch mit einer speziellen Position der Rückspiegel aerodynamische Vorteile verschafft haben. Die in Barcelona verwendete Version ist vor Monaco entfernt worden, aber die Spiegel waren auch am ersten Trainingstag am seit heuer vorgeschriebenen bogenförmigen Cockpitschutz („Halo“) angebracht. Offenbar gab sich die FIA damit zufrieden, dass Ferrari immerhin ein Zusatzflügelchen am Spiegel entfernte.
Es sind dies nicht die einzigen Baustellen – Ferrari kämpft insgesamt um seinen Ruf. In der Fahrerweltmeisterschaft schrieben die Italiener zuletzt im Jahr 2007 an. Seither gab es schon drei größere Reglementänderungen. Die Reform 2009 nutzte Red Bull Racing am besten für sich aus, den Umstieg auf Hybrid ab 2014 schaffte Mercedes mit Bravour. Seit 2017 dürfen die Autos wieder breiter und schneller sein und Ferrari startete in beide Saisonen als Mercedes-Herausforderer Nummer eins. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Sebastian Vettel, bei Red Bull Racing als Wunderkind verhätschelt, muss bei Ferrari härter kämpfen und untermauert dies mit gelegentlichen Schimpfeinlagen. Da bekommt schon mal auch die Rennleitung das Götz-Zitat hingeschleudert.
Vettel steht bei Ferrari nicht nur unter dem Druck, den jeder Fahrer bei der Scuderia aushalten muss. Der mittlerweile 30-jährige Vierfachweltmeister will sich und seinem Arbeitgeber beweisen, dass er aus ähnlichem Holz geschnitzt ist wie sein Idol und Landsmann Rekordweltmeister Michael Schumacher (sieben Titel). Kimi Räikkönen, letzter Titelträger des Hauses, hat die Rolle der inoffiziellen Nummer zwei akzeptiert – vergleichbar mit Rubens Barrichello in den Blütejahren des Michael Schumacher.
In der hohen Formel-1-Politik gefällt sich auch die aktuelle FerrariFührung in der Rolle des Ersten unter Gleichen. Immerhin ist die Scuderia als einziges Team von Beginn an (1950) an Bord. Wie schon Gründer Enzo Ferrari spielt auch Sergio Marchionne gerne mit der Rückzug-Karte, um eigene Forderungen zu untermauern. Von der derzeit diskutierten Budget-Obergrenze hält Marchionne nicht viel. Für ihn ist zumindest nach außen klar: Ferrari kann auch ohne die Formel 1 existieren.
Apropos Obergrenze: Die Debatte darüber war am Freitag mit ein Inhalt einer Konferenz von Liberty Media, der Inhaber der Formel-1Rechte. Die Sitzung, bei der es auch um das künftige Reglement ging, dauerte bei Redaktionsschluss an.