Ein Aufstiegsfest und der Abgrund am Küniglberg
Der ORF hat die erwarteten Channel Manager und Chefredakteure bestellt. Der Nabelschau folgt eine Informationsinnovation.
Facebook-Freunde hätten ihn wissen müssen – den Tag der Verkündigung von Matthias Schrom als Chefredakteur von ORF 2. Er lud seit Wochen zum „Aufstiegsfest“am Abend des 25. Mai. Es galt offiziell der Rückkehr von Wacker Innsbruck in die Fußball-Bundesliga. Doch die Doppeldeutigkeit zum seit 2017 immer wieder kolportierten Aufstieg des DJ Schromsky am Küniglberg war offensichtlich.
Die Anekdote fügt sich gut in das seit Monaten mit allen Ingredienzen der politischen Machtausübung zelebrierte ORF-Personalkarussell – von der Intrige bis zur Palastrevolte. Im Gegensatz zum vatikanischen Konklave ist in der öffentlich-rechtlichen Trutzburg das Ergebnis fast immer vorher bekannt und die Spannung ein Scheingefecht. Das galt für die Wiederwahl von Alexander Wrabetz im Sommer 2017 wie für die von den SN längst angekündigte aktuelle Bestellung von Schrom und Wolfgang Geier zu Chefredakteuren unter den Channel Managern Alexander Hofer (ORF 2) und Lisa Totzauer (ORF eins).
Der General spielt das Spiel, das die Politik mit ihm spielt. Ihr Blatt ist bekannt, seine Trümpfe liegen im Talon. Denn nach der Kür des Quartetts folgen viele weitere Führungsentscheidungen. Der Personalabbau kostet den ORF 300 Stellen, doch er hat noch Posten zuhauf zur Befriedigung politischer Begehrlichkeiten. Inklusive gut bezahlter, machtloser weißer Elefanten. Parallel dazu propagiert Wrabetz plötzlich den öffentlichen Auftrag. Schon am Montag präsentiert er das Buch „Public Open Space. Zur Zukunft öffentlich-rechtlicher Medien“mit 55 Beiträgen von Experten.
Auch der ORF kann Message Control. Er will die Themenhoheit bis zur Medienenquete in zwei Wochen. Dieses Agenda Setting dürfte gelingen. Denn das Programm der Tagung ver- spricht wenig Originelles. Es wirkt nach einer Pflichtübung unter dem Motto: Regierungsprogramm umgesetzt. Dadurch entsteht viel Raum für ein Muskelspiel des ORF. Es ist der Probegalopp zu einer allfälligen Volksabstimmung. Motto: Seht her, wir sind gewappnet!
Das Beispiel Schweiz zeigt: In einer echten Demokratie hat die prozessuale Langsamkeit der Politik gegen das öffentliche Medium in voller Selbstverteidigung schlechte Karten. Zumal der ORF mit der neuen „ZiB 21“(täglich 45 Minuten ab 21 Uhr) eine seiner bisher größten Informationsinnovationen plant. Wenn sie rasch kommt und gut funktioniert, wird die umstrittene aktuelle Personalwahl bald vergessen sein. Wenn nicht, steht der ORF am Abgrund. Und Wrabetz ist einen Schritt weiter. Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.