Ehrliches Interesse an Aufklärung
Zu „Die Rede hätte noch größer sein können“von Andreas Koller (SN vom 7. 5.):
Natürlich hat Arik Brauer das Recht, islamistischen Antisemitismus als gefährlicher zu erachten als rechtsradikalen. Er entscheidet auch ganz allein, ob er Vizekanzler Strache einer Begegnung einschließlich Handschlags für würdig hält. Und auch Michael Köhlmeier soll das Recht unbenommen bleiben, bei Herrn Strache ein „ehrlicheres Gesicht“wahrzunehmen. Bevor aber jetzt jemand noch auf die Idee kommt, Strache als Entnazifizierungs-Hero für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen, wäre ein Blick der Unterscheidung darauf lohnenswert, was bisher – zugegeben durchaus publikumswirksam – hinsichtlich der Bemühungen der FPÖ, sich aus dem nazistischen Morast herauszuentwickeln, angekündigt wurde und was tatsäch- lich an Fakten vermerkt werden kann.
Ja, Vizekanzler Strache hat am heurigen Akademikerball eine Rede gehalten, die – vor dem dortigen Publikum – wohl wirklich Mut erfordert hat und für die ihm Respekt zu zollen ist. Aber danach? Es erfolgte die Ankündigung, eine Historikerkommission zur FPÖ einzusetzen, deren Glaubwürdigkeit aber sofort dadurch massiv beschädigt wurde, dass man als ihren Vorsitzenden einen hochrangigen und fundamental in FPÖInteressen verstrickten Parteifunktionär bestellte. Warum man nicht den Mut hatte, eine wirklich unabhängige Kommission arbeiten zu lassen, sei dahingestellt. Von ehrlichem Interesse an sauberer Aufklärung zeugt die Entscheidung, den durch und durch befangenen Herrn Brauneder die Kommission kontrollieren zu lassen, jedenfalls nicht.
Dass die Häufigkeit, mit der die rechtsradikalen Eiterbeulen innerhalb der FPÖ aufplatzen, in den letzten Monaten zugenommen hat, könnte man als Folge innerparteilicher Reinigungsbestrebungen interpretieren. Allerdings gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass die FPÖ-Spitze diesen Prozess in irgendeiner Art initiiert oder gefördert und sich dadurch Demokratisierungsmeriten erworben hätte.
Der FPÖ-Spitzenkandidat für die niederösterreichische Landtagswahl trat wegen seiner fraglichen Verwicklung in die Liederbuchaffäre der Burschenschaft Germania kurz nach der Wahl von allen Ämtern zurück. Zuletzt hört man aber, dass Herr Landbauer bald wieder in politische Funktionen aufsteigen soll. Dass für die FPÖ offenbar jemand schon als politisch unbedenklich gilt, wenn er nur nicht strafrechtlich verurteilt ist, deutet auch nicht gerade auf ein ehrliches Bestreben hin, sich in Richtung einer moralisch akzeptablen Partei zu entwickeln.
Ich denke, die demokratische Öffentlichkeit Österreichs wäre gut beraten, die Ankündigungen der FPÖ zur Kenntnis zu nehmen, vor einer vielleicht voreiligen Anerkennung des Herrn Vizekanzlers und seiner Mitstreiter als geläuterte Rechtsdemokraten aber abzuwarten, ob nun tatsächlich etwas an glaubwürdigen Taten folgt. An diesen wollen wir sie erkennen! Ao. Univ.-Prof. Dr. Eberhard A. Deisenhammer,