Alles ist verbunden ROGER D. NELSON
Der Geist kennt weder Raum noch Zeit. Gibt es ein globales Bewusstsein? Und wenn ja: Kann man das messen? Psychologen sind dem Welt-Geist auf der Spur. Und dieser wächst.
Ich und die Welt. Ich und die anderen. Ich! Bin ich allein? Meine Gedanken im Kopf gefangen, die Gefühle in meiner Brust versteckt? Der Forscher Roger D. Nelson sagt: Nein. Alle sind mit allen verbunden. Die Menschheit verbindet ein globales Bewusstsein. Und: Sollte sich die Menschheit in absehbarer Zeit noch nicht ausgerottet haben, könnte sie evolutionär eine weitere Entwicklungsstufe erreichen. Dann wird sie mit einem weitaus größeren Geist und einem weitreichenderen Bewusstsein ausgestattet sein als wir Menschen heute. Es könnte der Prozess unserer Menschwerdung 2.0 schon begonnen haben.
Der Wissenschafter, der das sagt, Professor Roger D. Nelson, ist experimenteller Psychologe und studierte Ingenieurwissenschaften. Er und 100 andere renommierte Forscher gehen seit 1998, also seit 20 Jahren, im „Global Consciousness Project“(Internationales Bewusstseinsprojekt) der Frage nach, ob und wenn ja, wie Menschen miteinander geistig verbunden sind. Sie befassen sich mit der Interaktion von menschlichem Bewusstsein und ihrer Umwelt. Und fanden heraus: Der menschliche Geist beeinflusst auf signifikante Weise die Welt, sogar Maschinen wie Zufallsgeneratoren, Bordinstrumente oder Münzautomaten.
Die Forschung darüber setzt bei gewöhnlichen Ereignissen an, die jeder kennt. Zum Beispiel, dass man die dicke Luft zwischen zerstrittenen Menschen spürt, wenn man den Raum betritt. Man weiß auch, dass es einem geliebten Menschen schlecht geht, obwohl der gar nicht da ist und man ja eigentlich nichts wissen kann.
Alles Zufall? Die Forscher aus Nelsons Gruppe sagen: Nein, ist es nicht. Und sie können es auch beweisen. Ihre Versuche sind außerdem überall auf der Welt wiederholbar. Nelson erzählt: Das Projekt habe damit begonnen, dass man im Labor Versuche mit dem menschlichen Bewusstsein unternommen habe, ob und wie es sensible Instrumente wie etwa einen Hochgeschwindigkeitszählautomaten beeinflussen könne. Man wollte damit Anomalien im Verhalten von Maschinen erklären. Ergebnis: Die Testpersonen beeinflussten die Maschinen mit ihren Intentionen – es ging dabei um einen einfachen Gedanken, nämlich, ob man auf Kopf oder Zahl setzte.
Dann gingen Nelson und sein Team aus dem Labor in die reale Welt und experimentierten weiter. Sie stellten sogenannte Zufallsgeneratoren bei Konferenzen oder Konzerten oder spirituellen Versammlungen auf, wo Menschen einander trafen, um Gleiches zu erleben.
Auch hier das Ergebnis: Die Menschenmengen verschoben die Messwerte der Instrumente. Diskussionen, das Miteinander in einer musikalischen Begegnung oder auch das gemeinsame Gebet oder der Gesang veränderten jeweils in signifikanter Weise die Zufallsdaten dieser Generatoren. Die nächste Frage, die sich die Forscher stellten, war: Wenn eine kleine Gruppe von Menschen ihre unmittelbare Welt verändert – tun es dann auch alle Menschen auf der Erde? Die Antwort lautet erneut: Ja. Tun wir. Wir alle. Ununterbrochen.
Als Messgeräte dienen derzeit rund 50 weltweit verteilte Dioden, welche sogenanntes weißes Rauschen erzeugen. Weißes Rauschen wird von einem sensiblen Instrument erzeugt und in den Ingenieur- und Naturwissenschaften häufig verwendet, um Störungen zu erkennen.
Dieses Rauschen wird von den Forschern also seit nunmehr 20 Jahren kontinuierlich ausgewertet. „Man muss sich das weiße Rauschen wie einen See vorstellen, in dem plötzlich eine kleine Welle auftritt“, sagt Nelson. Was die Forscher fanden, war immer das Gleiche: Die Ausschläge veränderten sich, wenn große Ereignisse oder Tragödien auf der Welt passierten. Etwa Erdbeben oder Terroranschläge. „Bei 9/11 beobachteten wir eine signifikante Veränderung in dem weißen Rauschen, die ganze zwei Tage lang anhielt. Interessanterweise begann die Veränderung aber schon vier Stunden vor den Anschlägen“, sagt Nelson. Letzteres könne man nicht wirklich erklären. Es gebe dazu nur folgende Überlegungen: Das globale Bewusstsein habe wie auch das individuelle eines Menschen eine Art Vorahnung. Oder: Die Attentäter und die Menschen, die mit der Planung und Ausführung der Anschläge beschäftigt waren, konzentrierten sich so stark auf ihr gemeinsames Ziel – und veränderten dadurch die Diodenausschläge. Klingt in unserer sehr technokratischen Welt unwirklich. Und Kritiker führen nicht ganz zu Unrecht an, dass man gerade bei Zufallsgeneratoren immer eine Veränderung finden werde, wenn man nur danach suche. Das weiß Nelson als Naturwissenschafter auch und hält dagegen: „Wir machen es aber genau umgekehrt. Wir bestimmen zuvor Ereignisse, von denen wir ausgehen, dass sie eventuell einen Ausschlag provozieren könnten. Wir bestimmen ihren Anfang und ihr Ende. Erst dann sehen wir nach. Nicht immer finden wir etwas.“Aber: Mittlerweile hat die Forschergruppe 400 solcher Messdaten gesammelt. Nicht nur anlässlich des Anschlags auf die USA am 11. September 2001. Auch der Anschlag auf die Goldene Moschee von Samarra, der wichtigsten Wallfahrtsstätte der Schiiten, 2006 zeigte den Forschern, dass das globale Bewusstsein darauf stark reagierte. Ebenso auf große Erbeben, wie etwa das in Haiti 2010, oder Flugzeugabstürze. „Die Abweichungen sind nicht sehr groß, aber sie ergeben nach vielen Jahren ein Muster, das nicht mit Zufall zu erklären ist“, sagt Nelson. Solche Rückschlüsse sind aber nicht der einzige Ansatz für ihre Theorie, dass es einen Welt-Geist gibt. In seinen streng logisch aufgebauten Versuchsanordnungen nutzt Nelson auch die Quantenphysik, um anormale Effekte des Bewusstseins zu dokumentieren. Das Forscherteam geht weiters davon aus, dass der Mensch aus Atomen und damit auch aus Quanten besteht. Er ist – quantenphysikalisch betrachtet – ein Energiewesen. Es wäre direkt eigenartig, wenn der Mensch unter diesem Gesichtspunkt gar keinen Einfluss auf die Welt um ihn herum hätte. „Experimente zeigen, dass unser Bewusstsein fähig ist, Raum und Zeit zu überwinden, um sich mit einem anderen Bewusstsein auszutauschen oder subtile Aspekte unserer Welt zu verändern, ob durch Heilung oder die Beeinflussung des Verhaltens von Zufallsgeneratoren“, sagt Nelson. Die Menschheit könnte diese Kunst wie gesagt weiterentwickeln. Wenn sie sich nicht vorher vernichtet.