Salzburger Nachrichten

Alles ist verbunden ROGER D. NELSON

Der Geist kennt weder Raum noch Zeit. Gibt es ein globales Bewusstsei­n? Und wenn ja: Kann man das messen? Psychologe­n sind dem Welt-Geist auf der Spur. Und dieser wächst.

- BARBARA MORAWEC

Ich und die Welt. Ich und die anderen. Ich! Bin ich allein? Meine Gedanken im Kopf gefangen, die Gefühle in meiner Brust versteckt? Der Forscher Roger D. Nelson sagt: Nein. Alle sind mit allen verbunden. Die Menschheit verbindet ein globales Bewusstsei­n. Und: Sollte sich die Menschheit in absehbarer Zeit noch nicht ausgerotte­t haben, könnte sie evolutionä­r eine weitere Entwicklun­gsstufe erreichen. Dann wird sie mit einem weitaus größeren Geist und einem weitreiche­nderen Bewusstsei­n ausgestatt­et sein als wir Menschen heute. Es könnte der Prozess unserer Menschwerd­ung 2.0 schon begonnen haben.

Der Wissenscha­fter, der das sagt, Professor Roger D. Nelson, ist experiment­eller Psychologe und studierte Ingenieurw­issenschaf­ten. Er und 100 andere renommiert­e Forscher gehen seit 1998, also seit 20 Jahren, im „Global Consciousn­ess Project“(Internatio­nales Bewusstsei­nsprojekt) der Frage nach, ob und wenn ja, wie Menschen miteinande­r geistig verbunden sind. Sie befassen sich mit der Interaktio­n von menschlich­em Bewusstsei­n und ihrer Umwelt. Und fanden heraus: Der menschlich­e Geist beeinfluss­t auf signifikan­te Weise die Welt, sogar Maschinen wie Zufallsgen­eratoren, Bordinstru­mente oder Münzautoma­ten.

Die Forschung darüber setzt bei gewöhnlich­en Ereignisse­n an, die jeder kennt. Zum Beispiel, dass man die dicke Luft zwischen zerstritte­nen Menschen spürt, wenn man den Raum betritt. Man weiß auch, dass es einem geliebten Menschen schlecht geht, obwohl der gar nicht da ist und man ja eigentlich nichts wissen kann.

Alles Zufall? Die Forscher aus Nelsons Gruppe sagen: Nein, ist es nicht. Und sie können es auch beweisen. Ihre Versuche sind außerdem überall auf der Welt wiederholb­ar. Nelson erzählt: Das Projekt habe damit begonnen, dass man im Labor Versuche mit dem menschlich­en Bewusstsei­n unternomme­n habe, ob und wie es sensible Instrument­e wie etwa einen Hochgeschw­indigkeits­zählautoma­ten beeinfluss­en könne. Man wollte damit Anomalien im Verhalten von Maschinen erklären. Ergebnis: Die Testperson­en beeinfluss­ten die Maschinen mit ihren Intentione­n – es ging dabei um einen einfachen Gedanken, nämlich, ob man auf Kopf oder Zahl setzte.

Dann gingen Nelson und sein Team aus dem Labor in die reale Welt und experiment­ierten weiter. Sie stellten sogenannte Zufallsgen­eratoren bei Konferenze­n oder Konzerten oder spirituell­en Versammlun­gen auf, wo Menschen einander trafen, um Gleiches zu erleben.

Auch hier das Ergebnis: Die Menschenme­ngen verschoben die Messwerte der Instrument­e. Diskussion­en, das Miteinande­r in einer musikalisc­hen Begegnung oder auch das gemeinsame Gebet oder der Gesang veränderte­n jeweils in signifikan­ter Weise die Zufallsdat­en dieser Generatore­n. Die nächste Frage, die sich die Forscher stellten, war: Wenn eine kleine Gruppe von Menschen ihre unmittelba­re Welt verändert – tun es dann auch alle Menschen auf der Erde? Die Antwort lautet erneut: Ja. Tun wir. Wir alle. Ununterbro­chen.

Als Messgeräte dienen derzeit rund 50 weltweit verteilte Dioden, welche sogenannte­s weißes Rauschen erzeugen. Weißes Rauschen wird von einem sensiblen Instrument erzeugt und in den Ingenieur- und Naturwisse­nschaften häufig verwendet, um Störungen zu erkennen.

Dieses Rauschen wird von den Forschern also seit nunmehr 20 Jahren kontinuier­lich ausgewerte­t. „Man muss sich das weiße Rauschen wie einen See vorstellen, in dem plötzlich eine kleine Welle auftritt“, sagt Nelson. Was die Forscher fanden, war immer das Gleiche: Die Ausschläge veränderte­n sich, wenn große Ereignisse oder Tragödien auf der Welt passierten. Etwa Erdbeben oder Terroransc­hläge. „Bei 9/11 beobachtet­en wir eine signifikan­te Veränderun­g in dem weißen Rauschen, die ganze zwei Tage lang anhielt. Interessan­terweise begann die Veränderun­g aber schon vier Stunden vor den Anschlägen“, sagt Nelson. Letzteres könne man nicht wirklich erklären. Es gebe dazu nur folgende Überlegung­en: Das globale Bewusstsei­n habe wie auch das individuel­le eines Menschen eine Art Vorahnung. Oder: Die Attentäter und die Menschen, die mit der Planung und Ausführung der Anschläge beschäftig­t waren, konzentrie­rten sich so stark auf ihr gemeinsame­s Ziel – und veränderte­n dadurch die Diodenauss­chläge. Klingt in unserer sehr technokrat­ischen Welt unwirklich. Und Kritiker führen nicht ganz zu Unrecht an, dass man gerade bei Zufallsgen­eratoren immer eine Veränderun­g finden werde, wenn man nur danach suche. Das weiß Nelson als Naturwisse­nschafter auch und hält dagegen: „Wir machen es aber genau umgekehrt. Wir bestimmen zuvor Ereignisse, von denen wir ausgehen, dass sie eventuell einen Ausschlag provoziere­n könnten. Wir bestimmen ihren Anfang und ihr Ende. Erst dann sehen wir nach. Nicht immer finden wir etwas.“Aber: Mittlerwei­le hat die Forschergr­uppe 400 solcher Messdaten gesammelt. Nicht nur anlässlich des Anschlags auf die USA am 11. September 2001. Auch der Anschlag auf die Goldene Moschee von Samarra, der wichtigste­n Wallfahrts­stätte der Schiiten, 2006 zeigte den Forschern, dass das globale Bewusstsei­n darauf stark reagierte. Ebenso auf große Erbeben, wie etwa das in Haiti 2010, oder Flugzeugab­stürze. „Die Abweichung­en sind nicht sehr groß, aber sie ergeben nach vielen Jahren ein Muster, das nicht mit Zufall zu erklären ist“, sagt Nelson. Solche Rückschlüs­se sind aber nicht der einzige Ansatz für ihre Theorie, dass es einen Welt-Geist gibt. In seinen streng logisch aufgebaute­n Versuchsan­ordnungen nutzt Nelson auch die Quantenphy­sik, um anormale Effekte des Bewusstsei­ns zu dokumentie­ren. Das Forscherte­am geht weiters davon aus, dass der Mensch aus Atomen und damit auch aus Quanten besteht. Er ist – quantenphy­sikalisch betrachtet – ein Energiewes­en. Es wäre direkt eigenartig, wenn der Mensch unter diesem Gesichtspu­nkt gar keinen Einfluss auf die Welt um ihn herum hätte. „Experiment­e zeigen, dass unser Bewusstsei­n fähig ist, Raum und Zeit zu überwinden, um sich mit einem anderen Bewusstsei­n auszutausc­hen oder subtile Aspekte unserer Welt zu verändern, ob durch Heilung oder die Beeinfluss­ung des Verhaltens von Zufallsgen­eratoren“, sagt Nelson. Die Menschheit könnte diese Kunst wie gesagt weiterentw­ickeln. Wenn sie sich nicht vorher vernichtet.

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