Häuschen im Grünen Unsere Städte müssen grüner werden. Nicht nur den Städtern zuliebe.
Grau war gestern.
Olga Algayerova (im Bild) hat normalerweise mit Regierungen und deren hochrangigen Experten zu tun. An diesem Nachmittag aber ist die Leitende Sekretärin der UN-Wirtschaftskommission für Europa nach Wien gereist, um mit Jungunternehmern zu sprechen. Es geht um Stadtentwicklung, ein zentrales Thema beim Klimaschutz und für die UNO. „Die Städte nehmen eine Führungsrolle ein, wenn es um die Umsetzung unserer Nachhaltigkeitsziele geht“, sagt Algayerova. Wie groß ihr Einfluss sein kann, unterstreichen schon wenige Zahlen: Schon heute leben mehr als die Hälfte aller Menschen in Städten. In Europa sind es nach Angaben des EU-Statistikamts Eurostat mehr als 70 Prozent, bis 2020 werden es 80 Prozent sein. Angesichts dessen ist klar: Die Städte müssen nachhaltig weiterwachsen. Einerseits zum Wohle derer, die dort leben. Andererseits zum Wohle der Allgemeinheit. Denn halten die Städte bei den globalen Entwicklungszielen die Vorgaben nicht ein, werden die Ziele insgesamt unerreichbar bleiben. Das gilt für wirtschaftliche Herausforderungen, aber auch und vor allem für den Klimaschutz.
Das Programm „United Smart Cities“baut auf dieser Erkenntnis auf. Ins Leben wurde es von Algayerovas Einheit bei den Vereinten Nationen und der Organisation für Internationale Wirtschaftsbeziehungen gerufen.
Ziel ist es, Städte und Unternehmen zusammenzubringen. Die einen, die Lösungen für Probleme in der Stadtentwicklung suchen; die anderen, die Lösungen anbieten können. So wie Pluvi.On, ein digitaler Dienst, der im brasilianischen São Paulo gegründet wurde. Das System warnt vor Wetterextremen, die mit der Klimaerwärmung in der Küstenstadt wahrscheinlicher werden. Insgesamt rechnen Klimaforscher in den kommenden Jahrzehnten mit einem Temperaturanstieg von mehreren Grad in Brasilien, mit heftigen Stürmen und flächenweise starken Regenphasen.
Die Städte sind nicht nur angehalten, sich gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu rüsten. Ohne Mithilfe der Städte kann die weitere Erwärmung der Atmosphäre auch nicht eingebremst werden. Eine Einsicht, die derzeit in der Europäischen Union eine besondere Aktualität hat: In dieser Woche ging in mehreren Städten Europas die jährliche „European Green Week“über die Bühne. Das Motto lautete „Grüne Städte für eine grünere Zukunft“. Passend zu diesem Motto wurde der Auftakt in Utrecht gegeben, einer niederländischen Stadt, die bekannt ist für sanfte Mobilität: viele Radfahrer und Elektroautos, wenig Abgase. Als positives Beispiel für städtische Mobilität wird immer wieder auch Wien genannt. Von 1993 bis 2012 hat sich in der österreichischen Hauptstadt das Verhältnis von öffentlichem und privatem Verkehr als Haupttransportmittel umgekehrt. Ein Papier der EU-Kommission zitiert prominent aus der Wiener Stadtentwicklung: 1993 nutzen demnach 40 Prozent primär das Auto, 29 Prozent öffentliche Verkehrsmittel und drei Prozent das Fahrrad; 2012 nutzen nur mehr 27 Prozent primär das Auto, 39 Prozent öffentliche Verkehrsmittel und sechs Prozent das Fahrrad. Dass so viele Wiener auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen sind, habe vor allem mit der Preispolitik zu tun, meinte erst kürzlich die grüne Wiener Vize-Bürgermeisterin Maria Vassilakou bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen des „R20“-Klimagipfels von Arnold Schwarzenegger in der Wiener Hofburg. 365 Euro kostet die Jahreskarte in Wien, also einen Euro pro Tag. Der Umstieg auf Alternativen zum Auto sorgt für bessere Luft in den Städten, aber auch für weniger Stau, weniger Lärm und insgesamt eine bessere Lebensqualität. Trotzdem ist die Mobilität nicht die einzige Schraube, an der Stadtplaner drehen sollten. Grüne Räume zu schaffen ist nach Ansicht vieler Experten der beste Weg, um die Städte lebenswerter zu machen. Neben der Ästhetik dient das Grün nicht nur der Erholung, es sorgt auch für eine bessere Gesundheit. Eine Studie der Columbia University hat einen klaren Zusammenhang gezeigt zwischen der Anzahl der Bäume in einer Wohngegend und der Zahl der Asthmafälle bei Kindern, die dort leben. Die Begrünung von Häusern in der Stadt dient zudem als Puffer bei Wetterextremen, und sie hilft vor allem gegen die Hitze. Wien beispielsweise nahm am EU-Projekt UHI (Urbane Hitze Inseln) teil, in dessen Rahmen Strategien gegen die Überhitzung der Städte gesucht wurden. So sollen beim Städtebau „grüne Schneisen“auch in der Innenstadt eingeplant oder die Begrünung von Fassaden oder Dächern gefördert werden. Und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führt zugunsten der grünen Städte einen weiteren Aspekt ins Treffen: „Urban Gardening“also das Garteln auf dem Balkon oder der Dachterrasse, kann zur Versorgungssicherheit in den Städten beitragen.