Salzburger Nachrichten

Im Namen des Vaters und der Söhne

Am Anfang war das Feuer. Wie man im Gasthaus Schapsbren­ner kulinarisc­he Archäologi­e betreiben kann.

- PETER GNAIGER (TEXT), MARCO RIEBLER (BILDER)

Es war vor zehn Jahren, da hatte Emmerich Hobl einen Traum. Ihm erschien darin ein Ingwer im Apfelmante­l. Dieser Traum war originell. Allein schon deshalb, weil Emmerich bis dahin keinen Dunst davon hatte, wie Ingwer überhaupt schmeckt. Am Fuß des Kobernauße­rwalds kam er bislang recht gut ohne dieses asiatische Gewürz aus. Am nächsten Morgen erzählte Emmerich seinen beiden Söhnen Christian und Andreas von dieser Erscheinun­g – und die beiden waren Feuer und Flamme. Die ersten Brennversu­che gingen daneben. Aber mit jedem Versuch wurde das Resultat besser. Sie müssen wissen: Gute Schnapsbre­nner halten sich an Samuel Beckett. Der schrieb: „Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“Dann war er da: Der Verkaufssc­hlager „Ingwa-Apfel“, dessen Duft und Geschmack jedem Angst macht, er könne nach dem Kosten aus dem Paradies vertrieben werden. Die Familie verfügt über Hunderte solcher Schnäpse. Jeder hat seine eigene Geschichte. Der Vorrat reicht bis 1930 zurück. Manche Reste sind sogar 200 Jahre alt. So lange werden hier in der Nähe von Munderfing im Gasthaus Schnapsbre­nner schon Gäste bewirtet. Genau genommen seit dem 28. Mai 1800. So steht es im Mattighofe­ner Grundbuch. Damals erwarb Peter Christon das „Weberhäusl“im Achtal. Somit gilt dieses Lokal samt Brennerei als älteste Privatbren­nerei Österreich­s – und somit ist auch erklärt, warum die Schnapsmar­ke Christon und nicht Hobl heißt. Emmerichs Schwiegerv­ater André Christon zeugte drei Töchter und keinen Sohn. Da geht im Innviertel schon einmal der Familienna­me verloren – aber nicht die Marke.

Emmerichs Söhne haben sich die Arbeit im Betrieb brüderlich aufgeteilt. Andreas kümmert sich formvollen­det um den Service. Christian kümmert sich leidenscha­ftlich um die Küche. Und beide kümmern sie sich um die Schnäpse, die in einem Extraraum angeboten werden. Dieser Raum sieht aus wie eine Apotheke. Und wenn man es historisch genau nimmt, dann liegt man mit diesem Eindruck gar nicht so falsch. Denn bis ins 14. Jahrhunder­t war es nur Ärzten und Apothekern erlaubt, Wein zu brennen und zu verkaufen. Die Dosis macht eben das Gift. „Schnaps darf man nicht saufen“, sagt auch Emmerich. „Man muss ihn genießen.“Der deutsche Politiker Theodor Heuss hat das so formuliert: „Wein saufen ist Sünde. Wein trinken ist beten. Lasset uns beten.“

Wenn Andreas und Christian beim Brennen experiment­ieren, dann mischt sich Emmerich nicht mehr viel ein. Hin und wieder merkt er an, dass er so manche Mode nicht mehr versteht. Dann tröstet ihn ein Sprichwort von Gustav Peichl. Der sagte: „Wer sich mit der Mode verheirate­t, der wird schnell Witwer.“Zum Beweis holt er einen seiner Jahrgangss­chnäpse aus dem Keller. Das Einschenke­n gleicht einem Hochamt: „1958! Zwetschge“, sagt er. Dieser Schnaps kam mit 74 Prozent ins Eichenfass. Heute hat er 48 Prozent. Diese Kostprobe entführt uns in eine Zeit, in der die Österreich­er nach dem Zweiten Weltkrieg wieder eine Idee davon bekamen, wie schön das Leben sein kann. „Damals“, so erinnert sich Emmerichs Ehefrau Elisabeth, „gab es auf dem Salzburger Hauptbahnh­of einen Waggon mit der Aufschrift ,Schnapsbre­nner‘.“Damit ging es aufs Land hinaus auf eine Jause mit Most und Schnaps. Die Strahlkraf­t des Gasthofs Schnapsbre­nner legte in den 1970er-Jahren noch weiter zu. Das war die Zeit, als die Gourmets den „Schnapsbre­nner“regelrecht belagerten.

In den letzten Jahrzehnte­n hat sich der Hype um die gehobene Landpartie in Munderfing beruhigt. Die Hobls gehen wieder ihr eigenes Tempo – auch in ihrem Jagdrevier in Bad Ischl, wo Vater und Söhne Hirsche, Gämsen und Rehe erlegen. Außer Christian Hobl und Tobias Brandstätt­er in Liefering dürfte es nicht viele Köche geben, die ihr Wild im Wald selbst aussuchen. Auch die Forellen und Saiblinge stammen aus dem eigenen Teich, der von einer Quelle aus dem Kobernauße­rwald gespeist wird.

Der „Schnapsbre­nner“ist ein Paradies geblieben, dessen Anfang das Feuer war und dessen natürliche­r Feind der Krieg ist. Denn der Gasthof Schnapsbre­nner war nur ein Mal in Gefahr. Das war im Ersten Weltkrieg, als die Kupferkess­el für die Waffenprod­uktion benötigt wurden. Also lasset uns beten!

Am besten mit einem Ingwa-Apfel. Gasthaus Schnapsbre­nner, Achtal 2, Munderfing, Tel: 077444/6333, www.andrechris­ton.com

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Emmerich Hobl: „Am allerschön­sten ist, dass die Söhne gemeinsam weitermach­en.“
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Die Reserven reichen bis 1930 zurück.
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Die Söhne Christian und Andreas.
 ??  ?? Das Wild erlegt der Koch höchstpers­önlich.
Das Wild erlegt der Koch höchstpers­önlich.

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