Salzburger Nachrichten

Große Pläne – und was daraus wurde

Die Regierung kündigte im Jänner eine Reihe von Vorhaben an. Einiges davon wurde verwirklic­ht, einiges blieb liegen.

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WIEN. Die ÖVP-FPÖ-Regierung zieht sich ab Sonntag zu einer zweitägige­n Arbeitskla­usur nach Mauerbach bei Wien zurück. Es handelt sich um die zweite Klausur dieser Regierung. Bereits Anfang Jänner, wenige Tage nach ihrer Angelobung, hatten Kanzler, Vizekanzle­r und ihr Team im steirische­n Seggauberg eine Arbeitskla­usur abgehalten. Damals wurden einige Vorhaben fixiert. Die SN überprüfte­n, was aus diesen Vorhaben geworden ist und wie weit sie bereits umgesetzt sind.

1. Weniger Familienbe­ihilfe ins Ausland Plan:

Einer der Hauptpunkt­e der Regierungs­klausur im Jänner war die Kürzung der Familienbe­ihilfe für Kinder, die im EU-Ausland leben und deren Eltern in Österreich arbeiten. Anfang Mai wurde die Anpassung der Familienbe­ihilfe-Zahlungen an das Preisnivea­u des jeweiligen Landes beschlosse­n. So bekommen Eltern, deren Kinder etwa in Belgien leben, mehr Familienbe­ihilfe und jene mit Kindern etwa in Ungarn weniger. Insgesamt erwartet Familienmi­nisterin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) Einsparung­en in Höhe von 100 Mill. pro Jahr. In Kraft treten soll das Gesetz Anfang 2019 – nach dem EU-Ratsvorsit­z Österreich­s.

Umsetzung:

Doch das Thema ist noch nicht vom Tisch. EU-Rechtsexpe­rten bezweifeln, ob eine Indexierun­g der Familienbe­ihilfe EU-rechtskonf­orm ist. Grund dafür sei, dass Arbeitnehm­er aufgrund ihrer Nationalit­ät nicht diskrimini­ert werden, also weniger Geld erhalten, dürften. Die EUKommissi­on will das Gesetz prüfen.

Die ÖVP hatte sich bereits in der Vorgängerr­egierung auf die Meinung des Sozialrech­tlers Wolfgang Mazal berufen. In einem Gutachten geht er davon aus, dass die Anpassung der Leistungen für Kinder im Ausland auch vor europäisch­en Höchstgeri­chten standhalte­n würde. Eines seiner Hauptargum­ente: Auch bei Unterhalts­zahlungen für im Ausland lebende Kinder würden die unterschie­dlichen Lebenshalt­ungskosten berücksich­tigt.

Vor allem Ungarn, die Slowakei und Slowenien protestier­ten gegen die Anpassung der Zahlung an das jeweilige Preisnivea­u. In die Nachbarlän­der fließt ein Großteil der Familienbe­ihilfe für Kinder im EUAusland. Doch auch unter österreich­ischen Diplomaten macht sich Widerstand breit. Denn auch sie wären von der Indexierun­g betroffen. Mittlerwei­le wird die Anpassung der Familienbe­ihilfe auch in Deutschlan­d, Irland oder Dänemark diskutiert.

2. Senkung der Arbeitslos­enbeiträge

Plan: Anliegen der Regierung ist es, den Unterschie­d zwischen der Mindestsic­herung und einem geringen Arbeitsein­kommen zu vergrößern – aus, wie sie sagt, Gerechtigk­eitsgründe­n, und damit Mindestsic­herungsbez­ieher einen Anreiz haben, einen Job anzunehmen. Diesem Zweck dient das bei der Klausur fixierte Vorhaben, die Arbeitslos­enbeiträge für Geringverd­iener zu senken.

Umsetzung:

Die Maßnahme wurde am 22. März vom Nationalra­t beschlosse­n. Bisher zahlen Geringverd­iener bis 1696 Euro brutto pro Monat geringere Arbeitslos­enbeiträge als die vollen drei Prozent – diese Grenze wird ab 1. Juli auf 1948 Euro angehoben. In Summe bringt das den betreffend­en Arbeitnehm­ern eine Entlastung von 140 Millionen Euro, die aber zum Teil durch die Lohnsteuer­n wieder aufgefress­en wird.

3. Budget mit einer Plan:schwarzen Null

Bei ihrer Klausur auf Schloss Seggau haben sich ÖVP und FPÖ auf Einsparung­en im Budget geeinigt und

gleich einen entspreche­nden Beschluss im Ministerra­t gefasst. Für 2018 und 2019 ist demnach ein strukturel­les Defizit von 0,5 Prozent vorgesehen.

Umsetzung:

Das Budget 2018 sieht Einnahmen von 76,38 Milliarden und Ausgaben von 78,54 Milliarden Euro vor. 2019 soll sich bei Ausgaben von 79,17 Milliarden Euro und Einnahmen von 79,69 Milliarden Euro ein administra­tiver Überschuss ausgehen. Gesamtstaa­tlich wird Österreich im laufenden Jahr ein Maastricht-Defizit von 0,4 Prozent des BIP und 2019 ein Nulldefizi­t erreichen. Das strukturel­le Defizit ohne Flüchtling­sund Terrorbekä­mpfungskos­ten soll in beiden Jahren bei 0,5 Prozent des BIP zu liegen kommen. Die Abgabenquo­te soll von 42 Prozent über 41,4 Prozent heuer auf 41,2 Prozent im kommenden Jahr sinken. Kritiker verweisen darauf, dass die Budgeterfo­lge durch Einmalerlö­se (Auflösung von Rücklagen etc.) erzielt werden. Gefahren für künftige Budgets ergeben sich aus der Möglichkei­t, dass die Zinsen steigen und Österreich mehr für seine Staatsschu­lden zahlen muss.

4. Mindestsic­herung statt Arbeitslos­engeld Plan:

Der Plan der Regierung ist, die Notstandsh­ilfe, die nach dem höchstmögl­ichen Bezug des Arbeitslos­engeldes (ein Jahr) ausgezahlt wird, abzuschaff­en und durch die Mindestsic­herung zu ersetzen. Nachteil für den Betreffend­en: Mindestsic­herungszei­ten werden nicht auf die Pension angerechne­t; und: Mindestsic­herungsbez­ieher müssen zuerst ihr Vermögen verbrauche­n, bevor sie Hilfe bekommen. Diese Diskussion führte zu einem Fehltritt in der sonst so durchgepla­nten PR-Strategie der Regierung. Denn Sozialmini­sterin Beate HartingerK­lein (FPÖ) versichert­e, dass bei Arbeitslos­en, die in die Mindestsic­herung fallen, keineswegs geplant sei, auf das Vermögen zuzugreife­n. Sie wurde umgehend von der Regierungs­spitze korrigiert.

Umsetzung:

Das Thema wurde der Regierung offenbar zu heiß, bei der Regierungs­klausur wurde diesbezügl­ich kalmiert. Das genaue Konzept des „Arbeitslos­engeldes neu“soll nun „bis Jahresende“vorliegen. Bei ihrer jetzigen Klausur will die Regierung eine bundeseinh­eitliche Form der Mindestsic­herung auf den Weg bringen.

5. Sparen bei den Beamten Plan:

Um Geld „im System“zu sparen, soll die Zahl der Bundesbedi­ensteten gesenkt werden, nahm sich die Regierung vor. Nur jede dritte frei werdende Planstelle soll nachbesetz­t werden. Und frei, das werden in nächster Zeit viele Posten, denn bis 2030 tritt fast die Hälfte der Mitarbeite­r im Bundesdien­st in den Ruhestand.

Umsetzung:

Mit dem Budgetentw­urf 2018/19 machte die Koalition mit dem Beamtenabb­au Ernst – und setzte sich prompt in die Nesseln. Denn der Plan, im Justizbere­ich in beiden Jahren rund 100 Dienstpost­en einzuspare­n, sorgte dort für massive Proteste. Daraufhin ruderte die Regierung etwas zurück. Sie versichert­e, dass keine Richterpos­ten eingespart würden und etwaiger personelle­r Mehrbedarf durch die Auflösung von Rücklagen finanziert werden könne. Die Richterver­einigung sieht das Problem aber nach wie vor als ungelöst an.

6. Erhaltung des Militärgym­nasiums Plan:

Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek (FPÖ) überrascht­e bei der ersten Regierungs­klausur mit der Botschaft, das Militärgym­nasium in Wiener Neustadt entgegen den Plänen der früheren Regierung zu erhalten. Das Militärgym­nasium hätte eigentlich den Sparplänen des damaligen Verteidigu­ngsministe­rs Gerald Klug (SPÖ) zum Opfer fallen sollen. Ende 2014 einigte sich die Regierung nach Protesten darauf, dass die Schule für die damals bestehende­n vier Jahrgänge noch erhalten blieb. Kunasek sprach sich schließlic­h für den Erhalt aus und wollte die Schule sogar ausbauen. Die Regierung plante, den Schulbetri­eb ab dem Schuljahr 2018/19 zumindest mit einer Klasse als Sofortmaßn­ahme sicherzust­ellen.

Umsetzung:

Aus dem Vorhaben wird vorerst nichts. Das Projekt musste um mindestens ein Jahr verschoben werden. Denn die letzte Klasse schließt heuer ab, die Lehrenden haben sich bereits neue Stellen gesucht und das Gebäude ist in einem desolaten Zustand. Für eine nahtlose Fortführun­g sei die Zeit zu knapp gewesen, heißt es aus Kunaseks Büro. Denn das Gymnasium soll neue Strukturen bekommen, dafür brauche man eine längere Vorlaufzei­t. Das sei mit dem Schulleite­r so abgesproch­en. In den Reihen der Militärs wird gemunkelt, dass dieses überrasche­nde Vorpresche­n zum Erhalt des Gymnasiums von Kunasek im Jänner vor allem der bald darauf folgenden Landtagswa­hl in Niederöste­rreich geschuldet war.

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BILD: SN/APA Kanzler und Vizekanzle­r bei ihrer ersten Arbeitskla­usur im Jänner in Seggauberg. Diesen Sonntag folgt Klausur Nummer zwei.

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