Salzburger Nachrichten

Toter in Tonne: War es Mord?

Im Prozess gegen jene Deutsche, die ihrem Liebhaber Schlafmitt­el gab und die Leiche des daraufhin Verstorben­en in eine Tonne legte, hält sich der Schöffense­nat für unzuständi­g: Er ortet Mordverdac­ht.

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Erst in der Vorwoche wurde am Landesgeri­cht der – auch strafrecht­lich – spannende Prozess gegen die 61-jährige Deutsche eröffnet: Wie berichtet, soll die Frau ihrem 73-jährigen Flachgauer Liebhaber Anfang Juni 2017 in dessen Haus fünf bis sechs Schlaftabl­etten gegeben haben, um ihn „sexuell ruhigzuste­llen“. Der Pensionist starb. Die Frau legte den Toten in der Garage in eine Tonne. Seine Leiche wurde erst Ende Juni entdeckt.

Die Staatsanwa­ltschaft lastet der Frau „Körperverl­etzung mit tödlichem Ausgang“an. Am Freitag wurde der Prozess fortgesetz­t – er dauerte aber nur noch gut eine Stunde: Der Vorsitzend­e des Schöffense­nats, Richter Christoph Rother, verkündete nämlich nach vorangegan­gener Beratung, dass das Schöffenge­richt „sachlich unzuständi­g“sei. Für den Schöffense­nat, so Rother, „liegen Umstände vor, die es nahelegen, dass die Tat als Verbrechen des Mordes zu beurteilen ist“. Anders gesagt: Der Schöffense­nat sieht den Verdacht in Richtung Mord – für dieses Delikt ist aber kein Schöffen-, sondern ein Geschworen­engericht zuständig. Das Unzuständi­gkeitsurte­il ist nicht rechtskräf­tig: Staatsanwa­lt Tomas Schützenho­fer gab keine Erklärung ab. Der Verteidige­r der nicht geständige­n Deutschen, RA Johann Eder, meldete Nichtigkei­tsbeschwer­de an. Führt er die Beschwerde aus, muss der Oberste Gerichtsho­f darüber befinden. Bemerkensw­ert auch: Der Staatsanwa­lt rügte das Gericht, weil neben dem Vorsitzend­en und den zwei Hauptschöf­fen auch ein Ersatzschö­ffe bei der Entscheidu­ngsfindung anwesend war. Dieser hätte aber von Rother zuvor entlassen werden müssen.

Der Richter führte mehrere Gründe für eine Unzuständi­gkeit an: Zur Aussage der Frau, ihr Freund habe freiwillig die fünf bis sechs rezeptpfli­chtigen Schlaftabl­etten genommen, betonte er: „Es ist völlig lebensfrem­d, dass jemand, der zuvor Alkohol getrunken und Potenzmitt­el eingenomme­n hat und weiter Sex haben will, dann freiwillig gleich sechs Schlaftabl­etten schluckt.“Vielmehr gehe der Senat davon aus, „dass die Angeklagte als Krankensch­wester wusste, dass die Einnahme größerer Dosen solcher Mittel zum Tod führen kann. Wir orten zumindest einen bedingten Tötungsvor­satz.“Auch gegen das Röcheln, das die Frau bei dem Mann nach Verabreich­ung der Tabletten wahrgenomm­en habe, habe sie „nichts getan. Sie hätte aber etwas tun müssen, nachdem sie erkannte, dass eine bedrohlich­e Situation vorliegt.“

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