Die Regierung steht Salzburg bleibt anders Das Monster ist erwacht – und jetzt?
Schwarz-Grün-Pink will „Salzburg bewegen“. Gut möglich, dass die Dreierkoalition mitunter auch die Innenpolitik bewegt.
Salzburg bleibt anders. Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache hatten sich nach der Landtagswahl zwar Schwarz-Blau an der Salzach gewünscht. Doch Landeshauptmann Wilfried Haslauer präsentierte am Freitag Schwarz-GrünPink.
Das ist eine Konstellation, wie es sie kein zweites Mal in Österreich gibt. Allein das sichert der Salzburger Landesregierung österreichweit Aufmerksamkeit. Wobei besonders die Neos unter Beobachtung stehen. Sie haben zum ersten Mal die Chance, in einem Bundesland Regierungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Wie und ob ihnen das gelingt, wird über die Zukunft der noch jungen Partei mitentscheiden.
Die neue Landesregierung hat sich „Salzburg bewegen“zum Motto gewählt. Das darf im direkten wie im übertragenen Sinn verstanden werden. Salzburg braucht einerseits Bewegung gegen den Dauerstau auf den Straßen und die mangelnde Öffi-Anbindung ganzer Regionen. Andererseits darf Salzburg im Wettbewerb mit den angrenzenden Boomregionen Bayern und Norditalien nicht stehen bleiben – nicht in wirtschaftlicher Hinsicht, nicht in kultureller und nicht in technologischer. Wenn die Regierung wirklich gewillt ist, in all diesen Bereichen nach fünf Jahren eisernen Sparens kräftig zu investieren, ist das eine gute Nachricht für das Land.
Wie viel die neue Dreierkoalition in den nächsten fünf Jahren bewegen kann, wird davon abhängen, ob und wie kräftig ihre sieben Mitglieder am selben Strang ziehen. Und da besteht die Gefahr, dass der eine oder die andere auch einmal auslässt.
Bei den Grünen gibt es einige, die nach dem Wahldebakel das Profil schärfen wollen, auch wenn dies durch Reibung an den Regierungspartnern geschehen müsste. Die Grünen haben ihre Wähler bei der Landtagswahl vor allem an die Neos verloren. Im kommenden Jahr werden in der Stadt Salzburg Bürgermeister und Gemeinderat gewählt. Da stehen sich Grüne und Neos wieder als Konkurrenten gegenüber. Das kann durchaus störend in die Landespolitik hineinwirken.
Bei den Neos hat Landesparteichef und Spitzenkandidat Sepp Schellhorn zwar die Koalition verhandelt. Angehören wird er ihr aber nicht. Sein Einzug scheiterte am Widerstand des ÖVP-Wirtschaftsbunds. Also bleibt Schellhorn im Nationalrat. An seiner Stelle wird die Quereinsteigerin Andrea Klambauer auf der Regierungsbank Platz nehmen. Die Trennung zwischen Regierungsamt und Parteiführung hat sich allerdings schon oft als destabilisierender Faktor erwiesen.
Die ÖVP wiederum muss aufpassen, dass sie nach dem Wahlsieg nicht überheblich wird. Die Landeshauptmannpartei kann die Politik im Land mit fünf von sieben Regierungssitzen und den Schlüsselressorts Finanzen, Arbeit und Wirtschaft, Spitäler und Gesundheit, Verkehr, Landwirtschaft sowie Raumordnung nach Belieben dominieren. Sie ist gut beraten, das nicht zu tun, will sie den Koalitionsfrieden wahren.
Haslauer dürfte das wissen. Dafür spricht, dass er den Neos zusätzlich zum Wohnbau und dem leichtgewichtigen Kindergartenressort das Amt des Zweiten Landtagspräsidenten überlässt. Das hatte bisher die SPÖ als zweitstärkste Kraft inne. Entsprechend groß ist dort der Ärger über die weitere Marginalisierung der Salzburger Sozialdemokratie. SPÖ-Chef Walter Steidl wirft der ÖVP vor, im „Machtrausch“zu sein. Für ihn wird die Oppositionsarbeit noch schwieriger.
FPÖ-Chefin Marlene Svazek wird sich an ihre neue, vergleichsweise unbedeutende Rolle im Salzburger Landtag erst gewöhnen müssen. Die Zeiten, da sie als FPÖ-Generalsekretärin und Abgeordnete einer Regierungspartei im Rampenlicht stand, sind vorerst vorbei.
Die inhaltlichen Positionen der neuen Salzburger Landesregierung dürften immer wieder vom Kurs der Bundesregierung abweichen oder diesem sogar entgegenstehen. So ist mit Widerstand aus Salzburg zu rechnen, sollte die Bundesregierung im Zuge der Kassenreform die AUVA auflösen wollen. Auch in der Integrationspolitik kommen aus Salzburg differenzierte Signale. Etwa wenn im Regierungsprogramm davon die Rede ist, „Lehrlinge mit Flucht- oder Migrationshintergrund“in ihrer Ausbildung zu unterstützen. Salzburgs Landesregierung bleibt also nicht nur anders, was ihre Farbgebung betrifft. Sie bringt auch zusätzliche Spannung in die Innenpolitik. Für viele Unternehmen wurde sie in den letzten Monaten zum Schreckgespenst. Und selbst Privaten ließ sie in den vergangenen Tagen keine Ruhe. Seit gestern ist die EU-DatenschutzGrundverordnung (DSGVO) in Kraft. Für manche wurde sie zum Monster, auf dessen Erwachen sie mit banger Sorge gewartet haben. Und am Ende fragen sich alle, ob die Bürger tatsächlich von diesem neuen Gesetz profitieren.
Vor hundertfünfzig Jahren standen wir an einem ähnlichen Punkt. Mit dem Staatsgrundgesetz von 1867 wurden Bürgerrechte festgeschrieben, die bis heute zentraler Bestandteil der Verfassung sind. Darunter die Gleichheit vor dem Gesetz, die Vereins- und Versammlungsfreiheit und die Pressefreiheit. Es wurden aber auch Rechte festgeschrieben, die wir als so selbstverständlich erachten, dass wir sie kaum wahrnehmen. Die Unverletzlichkeit des Eigentums zum Beispiel oder das Hausrecht, das unseren Wohnbereich schützt und uns entscheiden lässt, wem wir Zutritt gestatten. Oder das Briefgeheimnis. Alles so selbstverständlich, dass wir vergessen haben, diese Rechte im Digitalen vehement einzufordern.
Da ist das Recht auf unsere persönlichen Daten, die unser Eigentum sind, deren Wert wir lange nicht erkannt haben. Das Hausrecht, das auch für unsere Computer und Smartphones gelten sollte, das wir längst an die großen IT-Riesen abgegeben haben. Und schließlich die Geheimnisse, die wir durch unsere Kommunikation verraten, die von IT-Riesen wo immer möglich angezapft wird, um an Daten über uns und schlussendlich an unser Geld zu kommen.
Paradox, dass Rechte, die vor hundertfünfzig Jahren im Analogen durchgesetzt wurden und jetzt auch im Digitalen zur Geltung gebracht werden, statt Begeisterung oft nur Widerwillen und Murren auslösen.
Klar, die DSGVO ist ein schlechtes Gesetz, sie wurde von Lobbyisten verwässert und vom Gesetzgeber verunstaltet. Aber auch das Staatsgrundgesetz war in der Urversion voll von Ausnahmen und Ungleichbehandlungen. Es war aber auch der Anfang dessen, was heute unsere Freiheit garantiert.
Die ÖVP muss aufpassen, dass sie nicht abhebt