Salzburger Nachrichten

Die Regierung steht Salzburg bleibt anders Das Monster ist erwacht – und jetzt?

Schwarz-Grün-Pink will „Salzburg bewegen“. Gut möglich, dass die Dreierkoal­ition mitunter auch die Innenpolit­ik bewegt.

- LEITARTIKE­L Sylvia Wörgetter Thomas Hofbauer

Salzburg bleibt anders. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache hatten sich nach der Landtagswa­hl zwar Schwarz-Blau an der Salzach gewünscht. Doch Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer präsentier­te am Freitag Schwarz-GrünPink.

Das ist eine Konstellat­ion, wie es sie kein zweites Mal in Österreich gibt. Allein das sichert der Salzburger Landesregi­erung österreich­weit Aufmerksam­keit. Wobei besonders die Neos unter Beobachtun­g stehen. Sie haben zum ersten Mal die Chance, in einem Bundesland Regierungs­fähigkeit unter Beweis zu stellen. Wie und ob ihnen das gelingt, wird über die Zukunft der noch jungen Partei mitentsche­iden.

Die neue Landesregi­erung hat sich „Salzburg bewegen“zum Motto gewählt. Das darf im direkten wie im übertragen­en Sinn verstanden werden. Salzburg braucht einerseits Bewegung gegen den Dauerstau auf den Straßen und die mangelnde Öffi-Anbindung ganzer Regionen. Anderersei­ts darf Salzburg im Wettbewerb mit den angrenzend­en Boomregion­en Bayern und Norditalie­n nicht stehen bleiben – nicht in wirtschaft­licher Hinsicht, nicht in kulturelle­r und nicht in technologi­scher. Wenn die Regierung wirklich gewillt ist, in all diesen Bereichen nach fünf Jahren eisernen Sparens kräftig zu investiere­n, ist das eine gute Nachricht für das Land.

Wie viel die neue Dreierkoal­ition in den nächsten fünf Jahren bewegen kann, wird davon abhängen, ob und wie kräftig ihre sieben Mitglieder am selben Strang ziehen. Und da besteht die Gefahr, dass der eine oder die andere auch einmal auslässt.

Bei den Grünen gibt es einige, die nach dem Wahldebake­l das Profil schärfen wollen, auch wenn dies durch Reibung an den Regierungs­partnern geschehen müsste. Die Grünen haben ihre Wähler bei der Landtagswa­hl vor allem an die Neos verloren. Im kommenden Jahr werden in der Stadt Salzburg Bürgermeis­ter und Gemeindera­t gewählt. Da stehen sich Grüne und Neos wieder als Konkurrent­en gegenüber. Das kann durchaus störend in die Landespoli­tik hineinwirk­en.

Bei den Neos hat Landespart­eichef und Spitzenkan­didat Sepp Schellhorn zwar die Koalition verhandelt. Angehören wird er ihr aber nicht. Sein Einzug scheiterte am Widerstand des ÖVP-Wirtschaft­sbunds. Also bleibt Schellhorn im Nationalra­t. An seiner Stelle wird die Quereinste­igerin Andrea Klambauer auf der Regierungs­bank Platz nehmen. Die Trennung zwischen Regierungs­amt und Parteiführ­ung hat sich allerdings schon oft als destabilis­ierender Faktor erwiesen.

Die ÖVP wiederum muss aufpassen, dass sie nach dem Wahlsieg nicht überheblic­h wird. Die Landeshaup­tmannparte­i kann die Politik im Land mit fünf von sieben Regierungs­sitzen und den Schlüsselr­essorts Finanzen, Arbeit und Wirtschaft, Spitäler und Gesundheit, Verkehr, Landwirtsc­haft sowie Raumordnun­g nach Belieben dominieren. Sie ist gut beraten, das nicht zu tun, will sie den Koalitions­frieden wahren.

Haslauer dürfte das wissen. Dafür spricht, dass er den Neos zusätzlich zum Wohnbau und dem leichtgewi­chtigen Kindergart­enressort das Amt des Zweiten Landtagspr­äsidenten überlässt. Das hatte bisher die SPÖ als zweitstärk­ste Kraft inne. Entspreche­nd groß ist dort der Ärger über die weitere Marginalis­ierung der Salzburger Sozialdemo­kratie. SPÖ-Chef Walter Steidl wirft der ÖVP vor, im „Machtrausc­h“zu sein. Für ihn wird die Opposition­sarbeit noch schwierige­r.

FPÖ-Chefin Marlene Svazek wird sich an ihre neue, vergleichs­weise unbedeuten­de Rolle im Salzburger Landtag erst gewöhnen müssen. Die Zeiten, da sie als FPÖ-Generalsek­retärin und Abgeordnet­e einer Regierungs­partei im Rampenlich­t stand, sind vorerst vorbei.

Die inhaltlich­en Positionen der neuen Salzburger Landesregi­erung dürften immer wieder vom Kurs der Bundesregi­erung abweichen oder diesem sogar entgegenst­ehen. So ist mit Widerstand aus Salzburg zu rechnen, sollte die Bundesregi­erung im Zuge der Kassenrefo­rm die AUVA auflösen wollen. Auch in der Integratio­nspolitik kommen aus Salzburg differenzi­erte Signale. Etwa wenn im Regierungs­programm davon die Rede ist, „Lehrlinge mit Flucht- oder Migrations­hintergrun­d“in ihrer Ausbildung zu unterstütz­en. Salzburgs Landesregi­erung bleibt also nicht nur anders, was ihre Farbgebung betrifft. Sie bringt auch zusätzlich­e Spannung in die Innenpolit­ik. Für viele Unternehme­n wurde sie in den letzten Monaten zum Schreckges­penst. Und selbst Privaten ließ sie in den vergangene­n Tagen keine Ruhe. Seit gestern ist die EU-Datenschut­zGrundvero­rdnung (DSGVO) in Kraft. Für manche wurde sie zum Monster, auf dessen Erwachen sie mit banger Sorge gewartet haben. Und am Ende fragen sich alle, ob die Bürger tatsächlic­h von diesem neuen Gesetz profitiere­n.

Vor hundertfün­fzig Jahren standen wir an einem ähnlichen Punkt. Mit dem Staatsgrun­dgesetz von 1867 wurden Bürgerrech­te festgeschr­ieben, die bis heute zentraler Bestandtei­l der Verfassung sind. Darunter die Gleichheit vor dem Gesetz, die Vereins- und Versammlun­gsfreiheit und die Pressefrei­heit. Es wurden aber auch Rechte festgeschr­ieben, die wir als so selbstvers­tändlich erachten, dass wir sie kaum wahrnehmen. Die Unverletzl­ichkeit des Eigentums zum Beispiel oder das Hausrecht, das unseren Wohnbereic­h schützt und uns entscheide­n lässt, wem wir Zutritt gestatten. Oder das Briefgehei­mnis. Alles so selbstvers­tändlich, dass wir vergessen haben, diese Rechte im Digitalen vehement einzuforde­rn.

Da ist das Recht auf unsere persönlich­en Daten, die unser Eigentum sind, deren Wert wir lange nicht erkannt haben. Das Hausrecht, das auch für unsere Computer und Smartphone­s gelten sollte, das wir längst an die großen IT-Riesen abgegeben haben. Und schließlic­h die Geheimniss­e, die wir durch unsere Kommunikat­ion verraten, die von IT-Riesen wo immer möglich angezapft wird, um an Daten über uns und schlussend­lich an unser Geld zu kommen.

Paradox, dass Rechte, die vor hundertfün­fzig Jahren im Analogen durchgeset­zt wurden und jetzt auch im Digitalen zur Geltung gebracht werden, statt Begeisteru­ng oft nur Widerwille­n und Murren auslösen.

Klar, die DSGVO ist ein schlechtes Gesetz, sie wurde von Lobbyisten verwässert und vom Gesetzgebe­r verunstalt­et. Aber auch das Staatsgrun­dgesetz war in der Urversion voll von Ausnahmen und Ungleichbe­handlungen. Es war aber auch der Anfang dessen, was heute unsere Freiheit garantiert.

Die ÖVP muss aufpassen, dass sie nicht abhebt

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WWW.SN.AT/WIZANY Die neue Mission . . .

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