So aktuell sind Opern nur selten
FLORIAN OBERHUMMER SALZBURG. Das Versteckspiel ist Teil der Kindheit. Noémie versteckt ihre Freundin Djamila jedoch nicht aus spielerischem Trieb heraus, sondern aus purer Hilflosigkeit gegenüber der Allmacht mitteleuropäischer Behörden. Das unbegleitete minderjährige Flüchtlingsmädchen hat zu viel mitgemacht, um jetzt wieder ins Ungewisse abgeschoben zu werden.
Der italienische Komponist Lucio Gregoretti stellt diese spannungsvolle Szene an den Beginn seiner Oper „Flüchtling“. So aktuell sind Plots im Musiktheater selten. Das Salzburger Landestheater hat dieses ganz spezielle Werk an das Ende einer Spielzeit gerückt, die das Publikum immer wieder mit gesellschaftsrelevanten Themen konfrontiert. Gregorettis Werk aus dem Jahr 2009 jedoch löst die Spannung ganz spielerisch auf, da das Werk ja explizit für junges Publikum geschrieben wurde. Das hört man auch der Musik an, die sehr klarsichtig und weitgehend „hörbar“komponiert ist. Atonale Reibungspunkte begleiten nur Streitigkeiten zwischen den Lehrern oder innerhalb der Klassengemeinschaft. Ansonsten hat Gregoretti einen leicht konsumierbaren Mix aus klassischen Orchesterklängen und EasyListening-Jazz komponiert.
Das Mozarteumorchester, das hinter der Bühne postiert wurde, nimmt den Drive der Musik gekonnt auf. Wolfgang Götz leitet nicht nur die Musiker, sondern auch „seinen“Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor. Die jungen Sänger sind Dreh- und Angelpunkt des Abends.
Zum zehnjährigen Bestehen bekommt dieser präzise Chor ein Werk, das den jungen Sängern wie auf den Leib geschneidert ist. Als Klassengemeinschaft kommentieren sie das Geschehen, verstärken ihren Part mit gut einstudierten Gesten. Auch die solistischen Rollen der Jugendlichen sind allesamt aus dem Chor heraus besetzt – allen voran Isabella Leslie Barske als Klassenbeste Marie unter enormem Leidensdruck. Sie wird von der Klasse gehänselt, bis sie ihre eigene Geschichte erzählt. Auch Marie ist ein Flüchtlingskind und benutzt das frühreife Streber-Gehabe wie einen Schutzschirm.
Den Jugendlichen werden drei erwachsene Opernsänger aus dem Landestheater-Ensemble gegenübergestellt: Tamara Ivaniš und Gürkan Gider als verliebtes Lehrerehepaar von lyrischer Stimmprägung sowie Elliott Carlton Hines als Direktor. Das buffoneske, überbordende Spiel des Baritons ist großartig. Die abstrakten, mobilen Bühnengerüste von Thomas Pekny bieten einen ästhetisch avancierten Opernraum, die Regisseurin Christina Piegger stückdienlich und dennoch mehrdeutig nutzt. Zuletzt formiert sie den Chor zu einem „Willkommen“-Tableau – ein Zeichen gegen die Verweigerungstendenzen der Politik. Oper: