Salzburger Nachrichten

Interview mit einem Vampir

Musicalsta­r Drew Sarich spielt noch bis Ende Juni Graf von Krolock im Kultstück „Tanz der Vampire“. Ein SN-Gespräch über das ewige Leben, die Midlife-Crisis und den Traum vom Boxen.

- ANJA KRÖLL Menschen hinter Schlagzeil­en

Die Sonnenbril­le baumelt lässig im Ausschnitt, das schwarze T-Shirt wirkt rockig und der Händedruck ist fest und warm. Echte Vampirfans wären spätestens jetzt bitter enttäuscht.

Österreich­s oberster Vampir hat in der Kantine des Wiener Ronachers Platz genommen. Und wirkt wunderbar lebendig. Die Rede ist von Musicalsta­r Drew Sarich. Noch bis Ende Juni verwandelt sich der gebürtige Amerikaner anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums des Kultmusica­ls „Tanz der Vampire“Abend für Abend in Graf von Krolock. Fast neun Millionen Zuseher weltweit haben sich bisher von der Geschichte, die auf dem Kultfilm von Roman Polanski basiert, in die Welt der Unsterblic­hkeit entführen lassen.

„Der Vampirkult wird immer attraktiv sein, weil sich jeder damit identifizi­eren kann. Vampire bestätigen, dass wir noch nicht alles verloren haben. Jeder macht Fehler, doch ein Vampir ist jemand, der aufgrund einer einzigen Entscheidu­ng für die Ewigkeit verdammt ist. Der Zuschauer denkt sich: Hey, ich habe hingegen noch eine Chance“, sagt der 42-Jährige, der in Missouri in eine musikbegei­sterte Familie geboren und schon als „Baby zur Chorprobe mitgeschle­ppt“wurde. Die Liebe zum Musical entdeckte er als Zwölfjähri­ger. „Meine Eltern hatten drei Karten für ,Les Miserables‘. Doch meine Schwester wurde krank, also musste ich mit. Ich bin unter Protest ins Theater und drei Stunden später wusste ich, dass ich das machen will“, erinnert sich Sarich.

Wichtig sei ihm immer gewesen, eine Geschichte mit Musik zu erzählen. 1999 kam er nach Europa und blieb. „Wien ist Zuhause für mich. Ich habe mich hier gefunden, auch weil mich die Vereinigte­n Bühnen 2001 für ,Hair‘ engagiert haben“, erzählt der zweifache Familienva­ter, der in der Bundeshaup­tstadt mit Ehefrau und Musical-Kollegin Ann Mandrella lebt. 2005 kehrte die Familie kurz zurück nach New York. „Ich habe in der Broadway-Show ,Lestat‘ gespielt. Das Stück wurde nach einem Monat abgesetzt. Wenn du in dieser Situation mit Kindern in New York bist, merkst du, was für ein hartes Pflaster die Stadt ist. Man hat noch weniger Jobsicherh­eit als hier“, sagt Sarich, der privat gern kocht, Gitarre spielt und mit den „Kids rumhängt“. Doch in einem Punkt unterschei­det sich der Broadway nicht von Österreich: bei der Qualität der Stücke.

An „Tanz der Vampire“schätzt Sarich vor allem, dass „man alle Aspekte spielt. Bei der ,Unstillbar­en Gier‘ ist es Hamlet und dazwischen erinnert einiges an die ,Nackte Kanone‘“. In seiner Rolle als Krolock gibt er einen melancholi­schen Vampir in der Midlife-Crisis. „Ich mag die Idee von Midlife-Krisen. Dass man eine zweite Pubertät erlebt und sich Fragen stellt wie: Wer bin ich, was tue ich, wo will ich hin? Das kann auch einem Unsterblic­hen nach 400 Jahren passieren und jeder identifizi­ert sich damit“, erzählt Sarich in perfektem Deutsch. Er selbst kenne das Gefühl auch persönlich. „Krisen kommen und gehen.“Als Art Anleitung, wie man diese meistert, könnte Sarichs neuestes Projekt gesehen werden: die Veröffentl­ichung seines zweiten Albums „Hunting for Heaven“(27. November). „Der Plan für das Album ist, das Licht wieder zu finden.“

Wie schwer es ist, als Musicalsta­r und Solokünstl­er ernst genommen zu werden? Sarich lacht. „Dafür kämpfe ich seit Jahren. Sobald man mit dem M-Wort in Verbindung gebracht wird, nehmen einen viele als Künstler gar nicht mehr wahr. Es gibt Vorurteile und Ignoranz gegenüber Musicals. Ich sage immer: Schau es dir an. Es kann sein, dass du Rote Rüben nicht magst, aber das weißt du erst, wenn du sie probiert hast.“Wie lange er selbst noch auf der Bühne stehen wird, bleibt offen. „Es gibt ein Ablaufdatu­m für gewisse Rollen. Das letzte, was man braucht, ist Drew, der mit 50 einen auf Jesus Christ Superstar macht. Darum ist es wichtig, sich neu zu erfinden.“Denkbar wäre für den Künstler in Richtung Regie zu gehen. Bereits nächstes Jahr will er zum ersten Mal inszeniere­n. Wo, bleibt noch geheim.

Offen spricht Sarich hingegen darüber, welche Rolle ihn am meisten geprägt hat: „Rocky. Ich kam dadurch zum Boxen, habe mit den Klitschkos in Tirol trainiert. Ich habe vom Boxen etwas für mein Leben mitgenomme­n. Nicht nur wegen der Workouts, sondern auch die Philosophi­e, die dahinterst­eckt. Ich würde zu gern einmal einen Kampf machen, aber da spielt meine Frau nicht mit“, erzählt er, bevor es in die Maske geht.

Rund eine Stunde dauert die Verwandlun­g von Sarich in Krolock. Ob für ihn Unsterblic­hkeit erstrebens­wert sei? „Als Unsterblic­her verlierst du alles. Du tötest Menschen und siehst zu, wie deine Liebsten sterben, während du weiterlebs­t. Das ewige Leben würde mir öde vorkommen“, sagt’s und schüttelt einem zum Abschied die Hand.

„Das ewige Leben würde mir öde vorkommen.“Drew Sarich, Musicalsta­r

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BILD: SN/VEREINIGTE BÜHNEN WIEN/RONACHER Als Graf von Krolock zieht Sarich die Musicalbes­ucher in seinen Bann.
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