Plastikverbot ist mehr Symbol als echter Eingriff
Die EU-Kommission setzt beim Versuch, Plastikmüll zu reduzieren, wieder bei den kleinen Dingen an. Das kann nach hinten losgehen.
87 Prozent der Europäer machen sich Sorgen, welche Folgen die wachsenden Plastikmüllberge für die Umwelt haben könnten. 74 Prozent sind beunruhigt wegen möglicher Auswirkungen auf ihre Gesundheit und mehr als 90 Prozent glauben, man sollte mehr für Recycling und Vermeidung von unverrottbaren Kunststoffprodukten tun, die auf Erdöl basieren.
Diese Zahlen aus einer Eurobarometer-Umfrage dienen der EU-Kommission als willkommener Beweis dafür, dass die EU-Bürger nur auf Maßnahmen gegen die Gefahr für den Planeten durch Partygeschirr und Einwegbesteck warten. Die gleichen Bürger, die morgens ihren Caffè Latte im Becher – mit Plastikdeckel und Strohhalm – auf dem Weg ins Büro im Gehen schlürfen, ihr Mittagessen in der Sushi-Bar ums Eck gut sichtbar im Plastikbehälter holen und am Abend über einen modernen Botendienst Essen kommen lassen, natürlich wieder im Einweggeschirr.
Der geplante Bann von Alltagsgegenständen aus Plastik wie Trinkhalmen oder Tellern lässt sich argumentieren, könnte aber nach hinten losgehen. Die Kommission verweist auf bessere Alternativen. Und große Firmen wie Tetra Pak stellen tatsächlich auf Papierhalme um. Erfahrungsgemäß sind Ersatzprodukte meist teurer, weil langlebiger oder aufwendiger in der Erzeugung, und unpraktisch, weil eben nicht einfach wegzuwerfen. Außerdem geht es beim Verbot wieder um einen kleinen Anteil der Plastikabfälle, derer Europa Herr zu werden versucht.
Wirksamer wären höhere Recycling-Quoten, sagen Experten. Doch auch das Recycling hat die Hoffnungen bisher in Maßen erfüllt. Nur 30 Prozent der knapp 26 Millionen Tonnen Plastikmüll, die in der EU jedes Jahr anfallen, werden heute gesammelt und wiederverwertet. Die daraus gewonnenen Produkte sind selten so sortenrein, wie das nötig wäre, schon weil es ständig Innovationen bei Verpackungen gibt.
Die Plastikmüllmenge, die heute produziert wird, ist zweifelsohne zu groß. Irgendwo muss reduziert werden. Sogar Obst und Gemüse ist in Plastik eingeschweißt, weil – so erklären die Supermärkte – die Ware damit besser geschützt sei und weniger weggeworfen werden müsse. Oder sie verweisen auf das geringere Gewicht von Plastik gegenüber Glas, was in der Einkaufstasche ein Vorteil sei. Klar hat hier die mächtige Kunststoffbranche Argumente gesammelt, warum es schlecht für die Verbraucher ist, wenn sie auf Plastik verzichten sollen. Aber nur weil die Argumente von einer unsympathischen Industrie kommen, müssen sie nicht automatisch falsch sein.