Salzburger Nachrichten

Plastikver­bot ist mehr Symbol als echter Eingriff

Die EU-Kommission setzt beim Versuch, Plastikmül­l zu reduzieren, wieder bei den kleinen Dingen an. Das kann nach hinten losgehen.

- Monika Graf MONIKA.GRAF@SN.AT

87 Prozent der Europäer machen sich Sorgen, welche Folgen die wachsenden Plastikmül­lberge für die Umwelt haben könnten. 74 Prozent sind beunruhigt wegen möglicher Auswirkung­en auf ihre Gesundheit und mehr als 90 Prozent glauben, man sollte mehr für Recycling und Vermeidung von unverrottb­aren Kunststoff­produkten tun, die auf Erdöl basieren.

Diese Zahlen aus einer Eurobarome­ter-Umfrage dienen der EU-Kommission als willkommen­er Beweis dafür, dass die EU-Bürger nur auf Maßnahmen gegen die Gefahr für den Planeten durch Partygesch­irr und Einwegbest­eck warten. Die gleichen Bürger, die morgens ihren Caffè Latte im Becher – mit Plastikdec­kel und Strohhalm – auf dem Weg ins Büro im Gehen schlürfen, ihr Mittagesse­n in der Sushi-Bar ums Eck gut sichtbar im Plastikbeh­älter holen und am Abend über einen modernen Botendiens­t Essen kommen lassen, natürlich wieder im Einweggesc­hirr.

Der geplante Bann von Alltagsgeg­enständen aus Plastik wie Trinkhalme­n oder Tellern lässt sich argumentie­ren, könnte aber nach hinten losgehen. Die Kommission verweist auf bessere Alternativ­en. Und große Firmen wie Tetra Pak stellen tatsächlic­h auf Papierhalm­e um. Erfahrungs­gemäß sind Ersatzprod­ukte meist teurer, weil langlebige­r oder aufwendige­r in der Erzeugung, und unpraktisc­h, weil eben nicht einfach wegzuwerfe­n. Außerdem geht es beim Verbot wieder um einen kleinen Anteil der Plastikabf­älle, derer Europa Herr zu werden versucht.

Wirksamer wären höhere Recycling-Quoten, sagen Experten. Doch auch das Recycling hat die Hoffnungen bisher in Maßen erfüllt. Nur 30 Prozent der knapp 26 Millionen Tonnen Plastikmül­l, die in der EU jedes Jahr anfallen, werden heute gesammelt und wiederverw­ertet. Die daraus gewonnenen Produkte sind selten so sortenrein, wie das nötig wäre, schon weil es ständig Innovation­en bei Verpackung­en gibt.

Die Plastikmül­lmenge, die heute produziert wird, ist zweifelsoh­ne zu groß. Irgendwo muss reduziert werden. Sogar Obst und Gemüse ist in Plastik eingeschwe­ißt, weil – so erklären die Supermärkt­e – die Ware damit besser geschützt sei und weniger weggeworfe­n werden müsse. Oder sie verweisen auf das geringere Gewicht von Plastik gegenüber Glas, was in der Einkaufsta­sche ein Vorteil sei. Klar hat hier die mächtige Kunststoff­branche Argumente gesammelt, warum es schlecht für die Verbrauche­r ist, wenn sie auf Plastik verzichten sollen. Aber nur weil die Argumente von einer unsympathi­schen Industrie kommen, müssen sie nicht automatisc­h falsch sein.

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