400 Steine oder: Die Kartause von Sebastian
Warum die Regierung im niederösterreichischen Mauerbach in Klausur gegangen ist.
Dass Bundeskanzler Sebastian Kurz seine zweite Klausur ausgerechnet in Mauerbach abhält, ist gewiss kein Zufall. Denn dort steht eine Kartause, also eine spezielle Art von Kloster, die eminente Ähnlichkeit mit der schwarzblauen Regierung aufweist.
Sie wissen: Kartäuser sind Mönche, die Eremiten sind, aber in einem Kloster zusammenleben. Diesen Spagat schaffen sie, indem ihr Kloster – eben Kartause genannt – aus vielen kleinen Häuschen mit eigenem Garten besteht. Jeder Mönch hat ein Häuschen für sich, lebt für sich, arbeitet für sich und kochte ursprünglich auch sein eigenes Süppchen mit dem, was er in seinem Garten erntete.
So weit, so beschaulich. Damit aber auch das Gemeinschaftsleben nicht zu kurz kommt und die Mönche nicht völlig vereinsamen, treffen sie doch hin und wieder zusammen, um gemeinsam zu beten, zu speisen und den Worten des Klostervorstehers zu lauschen.
Die Parallelen zu der Regierung von ÖVP und FPÖ – oder eigentlich einer Regierung schlechthin – sind augenfällig: Auch dort hat jeder Minister sein Schrebergärtlein, das er allein bestellt. Er lebt versonnen in seinem Häuschen (diesfalls Ressort genannt), das er nur selten verlässt, und arbeitet still vor sich hin. (Oder auch nicht, das weiß man nicht so genau, denn die Gärtlein in den Kartausen sind alle mit hohen Mauern umgeben.)
Damit die Minister nicht völlig zu Eigenbrötlern werden, treffen sie in regelmäßigen Abständen zusammen, um gemeinsam zu essen und den Worten des Regierungsvorstehers zu lauschen. Nämlich ein Mal wöchentlich beim Ministerrat und zwei Mal jährlich bei einer Klausur wie soeben in Mauerbach.
Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass in der Kartause von Mauerbach längst keine Mönche mehr leben. Kaiser Joseph II. hob das Kloster seinerzeit auf, weil es ihm zu beschaulich war, also seiner Meinung nach zu wenig für die Allgemeinheit leistete. Das soll Regierungen ja auch schon passiert sein, dass sie wegen zu großer Beschaulichkeit an ihr vorzeitiges Ende gelangten, nicht wahr?
Heute ist in der ehemaligen Kartause Mauerbach eine Außenstelle des Bundesdenkmalamts untergebracht. Aktuell ist dort eine Parkett-Sonderausstellung zu sehen, bei der sich die neuen Regierungsmitglieder über die Tücken der glatten Wiener Spielart dieses Bodenbelages informieren hätten können.
Ein Prunkstück der Mauerbacher Dependance des Bundesdenkmalamtes ist übrigens eine Sammlung sämtlicher Gesteinsarten, die jemals für Bauten in Österreich verwendet wurden. Es sollen über 400 verschiedene Steine sein! Ob die Regierung ahnt, was man ihr noch alles in den Weg legen kann?