Salzburger Nachrichten

400 Steine oder: Die Kartause von Sebastian

Warum die Regierung im niederöste­rreichisch­en Mauerbach in Klausur gegangen ist.

- WWW.SN.AT/PURGER Alexander Purger

Dass Bundeskanz­ler Sebastian Kurz seine zweite Klausur ausgerechn­et in Mauerbach abhält, ist gewiss kein Zufall. Denn dort steht eine Kartause, also eine spezielle Art von Kloster, die eminente Ähnlichkei­t mit der schwarzbla­uen Regierung aufweist.

Sie wissen: Kartäuser sind Mönche, die Eremiten sind, aber in einem Kloster zusammenle­ben. Diesen Spagat schaffen sie, indem ihr Kloster – eben Kartause genannt – aus vielen kleinen Häuschen mit eigenem Garten besteht. Jeder Mönch hat ein Häuschen für sich, lebt für sich, arbeitet für sich und kochte ursprüngli­ch auch sein eigenes Süppchen mit dem, was er in seinem Garten erntete.

So weit, so beschaulic­h. Damit aber auch das Gemeinscha­ftsleben nicht zu kurz kommt und die Mönche nicht völlig vereinsame­n, treffen sie doch hin und wieder zusammen, um gemeinsam zu beten, zu speisen und den Worten des Klostervor­stehers zu lauschen.

Die Parallelen zu der Regierung von ÖVP und FPÖ – oder eigentlich einer Regierung schlechthi­n – sind augenfälli­g: Auch dort hat jeder Minister sein Schrebergä­rtlein, das er allein bestellt. Er lebt versonnen in seinem Häuschen (diesfalls Ressort genannt), das er nur selten verlässt, und arbeitet still vor sich hin. (Oder auch nicht, das weiß man nicht so genau, denn die Gärtlein in den Kartausen sind alle mit hohen Mauern umgeben.)

Damit die Minister nicht völlig zu Eigenbrötl­ern werden, treffen sie in regelmäßig­en Abständen zusammen, um gemeinsam zu essen und den Worten des Regierungs­vorstehers zu lauschen. Nämlich ein Mal wöchentlic­h beim Ministerra­t und zwei Mal jährlich bei einer Klausur wie soeben in Mauerbach.

Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass in der Kartause von Mauerbach längst keine Mönche mehr leben. Kaiser Joseph II. hob das Kloster seinerzeit auf, weil es ihm zu beschaulic­h war, also seiner Meinung nach zu wenig für die Allgemeinh­eit leistete. Das soll Regierunge­n ja auch schon passiert sein, dass sie wegen zu großer Beschaulic­hkeit an ihr vorzeitige­s Ende gelangten, nicht wahr?

Heute ist in der ehemaligen Kartause Mauerbach eine Außenstell­e des Bundesdenk­malamts untergebra­cht. Aktuell ist dort eine Parkett-Sonderauss­tellung zu sehen, bei der sich die neuen Regierungs­mitglieder über die Tücken der glatten Wiener Spielart dieses Bodenbelag­es informiere­n hätten können.

Ein Prunkstück der Mauerbache­r Dependance des Bundesdenk­malamtes ist übrigens eine Sammlung sämtlicher Gesteinsar­ten, die jemals für Bauten in Österreich verwendet wurden. Es sollen über 400 verschiede­ne Steine sein! Ob die Regierung ahnt, was man ihr noch alles in den Weg legen kann?

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