Ein Ökonom führt Italien
Das Experiment einer Populistenregierung in Rom ist vorerst gescheitert. Vieles deutet darauf hin, dass die Rechtspartei Lega den Bruch bewusst riskiert hat.
ROM. Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella hat schnell gehandelt – wohl auch, um den Reaktionen der nervös gewordenen Finanzmärkte entgegenzuwirken. Um 11.30 Uhr am Montag bat er den Wirtschaftsexperten Carlo Cottarelli (64) zu einem Gespräch in den Quirinalspalast, wenig später beauftragte er ihn mit der Bildung einer Übergangsregierung und der Vorbereitung von Neuwahlen Anfang 2019. Sollte Cottarelli, von 2008 bis 2013 ranghoher Mitarbeiter beim Internationalen Währungsfonds, keine Zustimmung im Parlament erhalten, müsste bereits im Herbst gewählt werden. Cottarelli betonte, dass seine Technokratenregierung einen proeuropäischen Kurs einschlagen werde. Italiens Beteiligung an der Eurozone sei von „fundamentaler Bedeutung“.
Damit ist der Versuch der beiden populistischen Parteien Lega und Fünf Sterne, eine Regierung zu bilden, vorerst gescheitert. Der von ihnen ins Rennen geschickte designierte Ministerpräsident Giuseppe Conte musste das Handtuch werfen. Mattarella weigerte sich, den 81-jährigen Euro-, EU- und Deutschland-Kritiker Paolo Savona zum Finanz- und Wirtschaftsminister zu machen. „Leichten Herzens“habe er das nicht getan, sagte er. Aber er fühle sich verpflichtet, die Verfassungsordnung zu garantieren, und könne keinen Kandidaten akzeptieren, der einen Euroaustritt für Italien als Option erwäge.
Die Fünf Sterne und die Lega ließen daraufhin ihrer Wut freien Lauf. „Die nächsten Wahlen werden ein Referendum zwischen dem Volk und der alten Kaste sein“, zürnte Matteo Salvini, Chef der weit nach rechts gerutschten Lega. Er will nun gemeinsam mit Luigi Di Maio, dem Führer der Fünf Sterne, ein Verfahren zur Amtsenthebung Mattarellas einleiten. Es hat nach Ansicht von Beobachtern keine Aussicht auf Erfolg.
Wenn jetzt der Dauerwahlkampf unter verschärften Bedingungen weitergeht, rechnen viele mit der Neubelebung der rechten Allianz aus Lega, der postfaschistischen Fratelli d’Italia und Silvio Berlusconis Forza Italia. Dieses Bündnis hatte beim Urnengang im März zusammen 37 Prozent erzielt und war bei dem geltenden Wahlrecht nicht weit von einer eigenen Mehrheit entfernt. In der Zwischenzeit hat die Lega – am 4. März bei 17 Prozent – in Umfragen deutlich bis auf 23 Prozent zugelegt, sodass die Aussicht auf eine rechte Mehrheit durchaus realistisch ist.
Angesichts der rüden Unerbittlichkeit von Matteo Salvini vermuten viele, dass er den Bruch mit Mattarella – und letztlich mit den Fünf Sternen – bewusst herbeigeführt hat, weil er vor der Koalition mit den ganz andersartigen Fünf Sternen im letzten Moment zurückgeschreckt ist. Umgehend begann Salvini wieder mit seinen Attacken gegen die EU, gegen Deutschland und speziell Kanzlerin Angela Merkel.
Fünf Sterne und Lega können nun jedenfalls ihre Attacken gegen das verhasste „Establishment“fortführen – und davon ablenken, dass es bei der Regierungsbildung ohnehin nicht richtig vorwärtsging. Die Haltbarkeit einer Sterne-Lega-Regierung wurde als eher gering eingeschätzt.