Drei mit Gott an ihrer Seite
Keine Rede von Pension, dafür aber Stimmen, die an Unsterblichkeit arbeiten: Willie Nelson, Van Morrison und Neil Young mit neuen Alben.
Willie Nelson – Der Herr sei mit dir auf allen Roads dieser Welt
Van Morrison – Du sollst keinen anderen Herrn neben dir haben
Neil Young – Und der Herr sprach: Bleib laut und bei dem einen Song
SALZBURG. Dass viele, die dabei waren, als Pop und Rock in den 1960erJahren ihre Goldene Ära erlebten, auch im Pensionsalter weiterhin aufnehmen und auf Tournee gehen, hätte sich einst wohl kaum wer gedacht. Nun denken viele, dass es für manche Helden Zeit wäre, endlich in Pension zu gehen. Aber warum eigentlich?
Drei sehr gute, sehr neue Gründe, warum das nicht passieren muss.
Meldungen über Krankheiten oder gar den Tod sind seit Jahren übertrieben. Aber Willie Nelson ist halt 85 (seit Ende April), da kommt die Welt, die nicht auf ihn verzichten mag, auf Ideen. Es besteht aber keinerlei Grund, sich um Willie Nelson Sorgen zu machen. Jeder Gedanke daran verfliegt außerdem ab dem ersten Ton seines neuen Albums. Schön ironisch heißt es „Last Man Standing“. Und schön langsam gehört Nelson ja tatsächlich zu den Letzten seiner Art, zu den Outlaws, die in der Tradition ihrer Heimat nicht feststecken. Trotz verschiedener Seitenhiebe auf sein Land, das seinen Traum verloren hat, geht es vor allem ums Persönliche. Im Titelsong wird der Abschied von den Wegbegleitern Merle Haggard oder Ray Price bedauert – aber es passiert zu Boogie-Woogie-Sound. Überhaupt klingt vieles auf dem Album schwungvoll und aufregend. Selbst wenn er mit Blick auf sein Alter davon singt, dass ein schlechter Atem immer noch besser sei als gar keiner mehr, tut er es in HonkyTonk-Style. Fröhlich sind die Songs dennoch nicht. Einsamkeit und Trauer beschäftigen Nelson, aber getragen ist er von der Legende jenes buddhistischen Mönchs, der auch noch nach dem Tod lächelte, weil das immer jung hält. Als solchen Mönch muss man sich Nelson vorstellen. Und nebenbei: Besser als je zuvor zur Geltung kommt seine Stimme, dieses lichte, leicht jazzangehauchte Organ. Es war gern und oft die Maxime des irischen Eigenbrötlers und Grantscherben Van Morrison, dass es neben ihm keinen anderen Herrn gibt, wenn es um seinen Sound ging. Jedenfalls tat der 72-jährige Van Morrison oft so. Dann und wann aber steht auf den Covers seiner Alben ein zweiter Name fast so groß wie sein eigener – etwa 1988, als er mit den Chieftains irische Wurzeln erkundete. Oder später, als er im Jahr 2000 mit Linda Gail Lewis, der Schwester von Jerry Lee Lewis, durch alte Rock-’n’-Roll-Hadern rumpelte. In beiden Fällen tat Van Morrison, was ihn von jeher antrieb: Er hält musikalisches Erbe im Fluss, nimmt es, dreht und wendet es, um es sich dann – vor allem durch die Stimme – ganz zu eigen zu machen. Und das tut er nun wieder. Und wieder steht auf dem Cover des neuen Albums „You’re Driving Me Crazy“groß ein zweiter Name, der des Jazzorganisten Joey DeFrancesco. Den braucht Van Morrison nicht nur, um ein paar Standards von Cole Porter und Johnny Mercer in ein neues Leben zu heben, sondern auch, um einigen seiner eigenen Hits – darunter „Have I Told You Lately“oder „The Way Young Lovers Do“– neue Luft zu geben. Van Morrison betätigt sich gleichermaßen als Verwalter und Erfrischer, um daraus eine unnachahmliche Mischung, eine schier mystische Klangwelt zu schaffen. Es lässt sich wegen seiner Veröffentlichung aber auch eine gewisse Ruhelosigkeit im Alter vermuten. Nach dem bluesigen „Roll with the Punches“und dem Crooner-Werk „Versatile“ist „You’re Driving Me Crazy“schon die dritte Veröffentlichung innerhalb nur eines halben Jahres. Vielleicht lenkt der Tatendrang aber auch ab von schweren persönlichen Umständen. Van Morrison und Michelle Rocca gaben im April offiziell bekannt, dass sie nach rund 20 Jahren ihre Ehe beenden.
Vor 45 Jahren spielte Neil Young zur Eröffnung des Roxy, damals ganz neu, bald danach und seither aber ein legendärer Club in Los Angeles. Young war damals noch nicht der Große Vorsitzende der Rockmusik, auf dessen Schulter später etwa Punk und Grunge standen. Ein Superstar, vor allem der Hippies, war er aber schon. Nun gibt es dieses Konzert aus dem Roxy offiziell zum Nachhören: „Roxy: Tonight’s the Night Live“erscheint in der umfassenden Archive-Serie des Meisters. Young tauchte mit Nils Lofgren, Ben Keith und der CrazyHorse-Rhythmustruppe im Roxy direkt von jenen monatelangen Sessions auf, an deren Ende 1975 das Album „Tonight’s the Night“stehen sollte, ein dunkles Werk, geprägt von Schicksalsschlägen und Schmerz. Im Roxy klingt alles noch heller, obwohl auch hier der Tod des Freundes Danny Whitten mitschwingt (und der Zorn, dass er die Drogen nicht in den Griff bekam). Und manches klingt auch nach einem letzten Gruß an die 1960erJahre. Der Auftritt im Roxy beweist vor allem, dass Young einem Plan folgt: „It’s all one song“und der Klang dieses „Gesamtsongs“wird bestimmt von Welt- und Seelenlage.
Gleichzeitig mit dem Livealbum aus dem Roxy ist übrigens auch „Paradox“erschienen, der Soundtrack zu dem gleichnamigen Film – aufgenommen hat Young mit seinen neuen jungen Begleitern, der Band Promise of the Real, in der übrigens Lukas Nelson, der Sohn von Willie, spielt.