Zwischen den Notenzeilen verbergen sich manche Rätsel
Wie sollte die Musik des „Mönchs von Salzburg“heute klingen? Konzerte und eine Fachtagung spüren dieser Frage nach.
SALZBURG. Berühmt sein und trotzdem unerkannt bleiben: Das muss nicht immer ein Widerspruch sein. In Salzburgs Musikgeschichte findet sich dafür sogar ein großes Beispiel. Die Werke jenes Dichterkomponisten, der im 14. Jahrhundert im Umfeld des Salzburger Erzbischofs Pilgrim wirkte, erzielten im Mittelalter eine beispiellose Reichweite. An den Handschriften, in denen sie bis ins 15. Jahrhundert überliefert wurden, lässt sich das belegen. Doch wer dieser „Mönch von Salzburg“war, bleibt bis heute rätselhaft. Ein Benediktiner namens Hermann wurde als möglicher Urheber der Lieder und Hymnen identifiziert, eine Zeit lang wurde auch Erzbischof Pilgrim selbst als möglicher Autor in Betracht gezogen. „Denkbar ist aber auch, dass gar kein Einzelner, sondern eine Gruppe von Dichtern und Komponisten diese Werke schuf“, sagt Thomas Hochradner. Das Fragezeichen, das hinter der Identität des Mönchs stehe, werde „sich wohl nie auflösen lassen“, meint der Professor für Musikgeschichte an der Universität Mozarteum. Bei dem Symposium, zu dem sich diese Woche Wissenschafter und Musikensembles in Salzburg treffen, soll aber Licht in viele andere Fragen gebracht werden.
Mit drei Konzerten, in denen geistliche und weltliche Werke des „Mönchs von Salzburg“erklingen, beginnt die Tagung am Freitagabend. Wie die Vokalmusik aus dem Mittelalter im 21. Jahrhundert aufgeführt und dennoch möglichst nahe am Klang ihrer Zeit bleiben könne, sei „eine der spannendsten Fragen für die Forschung“, erläutert Hochradner.
Als der „Mönch von Salzburg“im 20. Jahrhundert von der Wissenschaft wiederentdeckt worden sei, sei er zunächst vor allem von Germanisten und als Dichter wieder „aus dem Schatten der Anonymität“gehoben worden. Aber auch Musiker begannen sich seinem Werk zu widmen. „Cesar Bresgen hat 1970 ein Chorbuch herausgegeben. Und sogar von Bernhard Paumgartner habe ich kürzlich eine Bearbeitung des Liedes ,Das Taghorn‘ für kleines Ensemble entdeckt.“Dennoch gebe es für die wissenschaftliche Durchdringung des innovativen Dichterkomponisten vor allem auf musikwissenschaftlicher Seite „noch einigen Forschungsbedarf“. Während die textliche Überlieferung keine großen Unklarheiten lasse, „gibt es bei den Noten viel Spielraum für Interpretation“, sagt Hochradner. Die Lieder streng nach dem Notentext zu interpretieren sei freilich die naheliegendste Möglichkeit. Der Klang, der sich daraus ergebe, wirke jedoch „etwas unlebendig.“Deshalb habe sich auch eine zweite These etabliert: „Die Notation könnte vor allem bei den weltlichen Werken des Mönchs auch als Gerüst für eine freiere Interpretation gedient haben, das Melodien eher nur skizziert als streng vorschreibt.“Der Diskussionsstoff dürfte also auch bei den (öffentlich zugänglichen) Vorträgen kaum ausgehen. Fest stehe indes die Bedeutung des großen, unbekannten Künstlers: „Mit dem ,Mönch von Salzburg‘“, sagt Thomas Hochradner, „trat Salzburg erstmals in der Musikgeschichte aus dem Schatten der Beiläufigkeit.“ Termine:
„Der Mönch von Salzburg im Interpretationsprofil der Gegenwart“. 1. Juni: Konzerte von Silvan Wagner, Harmonia Variabilis und Virgilschola (ab 18 Uhr). 2. Juni.: Symposium, Univ. Mozarteum, Kl. Studio.