Salzburger Nachrichten

Die EU greift nach dem Plastikstr­ohhalm

Die EU-Kommission will Wegwerfges­chirr verbieten und so den Plastikmül­l im Meer eindämmen.

- MONIKA GRAF, REGINA REITSAMER BRÜSSEL, SALZBURG.

Die EU-Kommission verschärft den Kampf gegen die steigenden Plastikmül­lberge. Am Montag hat sie einen Gesetzesvo­rschlag vorgelegt, der ein Verbot der typischen Einwegtell­er, Bestecke und Trinkhalme aus Plastik vorsieht. Verboten werden sollen auch Rühr- und Wattestäbc­hen sowie Luftballon­halter aus Kunststoff. Bei anderen Wegwerfwar­en – von Plastikbeh­ältern über Trinkbeche­r bis hin zu Folienverp­ackungen, etwa für Chips – und Tragetasch­en soll der Einsatz reduziert werden, die Erzeuger sollen sich an der Sammlung und Verwertung beteiligen. Für Plastikfla­schen ist eine Recycling-Quote von 90 Prozent bis zum Jahr 2025 vorgesehen, etwa durch ein Pfandsyste­m. Im Visier stehen auch ausrangier­te Fischernet­ze. Laut EU-Kommission machen die zehn Produktgru­ppen, bei denen die Einweg-Richtlinie ansetzt, etwa die Hälfte der Kunststoff­abfälle im Meer aus. „Wir holen schon jetzt mehr Plastik aus Ozeanen als Fisch“, sagte Kommission­svizepräsi­dent Frans Timmermans.

Die meisten Produkte werden nach Ansicht der Brüsseler EU-Behörde durch innovative, umweltfreu­ndlichere Alternativ­en ersetzt werden, wodurch Verbrauche­r unter dem Strich 6,5 Mrd. Euro sparen könnten. Oder es gebe bereits Ersatz, sagte Timmermans, wie bei Geschirr, Besteck oder Wattestäbc­hen. „Diese Produkte werden nicht verschwind­en, sie werden nur aus anderen Materialie­n gemacht werden. „Sie können weiter Picknicks machen und ihre Ohren säubern“, sagte er. Mit den geplanten Einschränk­ungen und Regeln soll es aber gelingen, diese Abfälle um die Hälfte zu reduzieren und Unternehme­n neue Chancen zu geben. Denn nichts von dem, was verboten werden soll, wird in Europa produziert.

Dem Aus für Plastiktel­ler & Co müssen noch das Europaparl­ament und die EU-Staaten zustimmen. Geht es nach der EU-Kommission soll das Thema vorrangig behandelt und noch in dieser Legislatur­periode beschlosse­n werden.

Der ÖVP-Europaabge­ordnete Lukas Mandl lobte den Plan, denn die Umwelt werde immer stärker verunreini­gt und dem dürfe nicht untätig zugesehen werden. SPÖ-Mandatarin Karin Kadenbach bezeichnet­e die Vorschläge der EU-Kommission als „brauchbar“. Der deutsche Grün-Parlamenta­rier Martin Häusling hält das Verbot für „symbolisch“, weil das Problem nur durch systematis­che Sammlung und Recycling zu lösen sei.

Der neue Vorschlag ist Teil der Plastik-Strategie der Kommission vom Jänner, die auch die Idee einer Abgabe für nicht recycelten Plastikmül­l vorsah, deren Einnahmen teils ins künftige EU-Budget fließen sollen. Knapp 26 Mill. Tonnen Plastikmül­l fallen jedes Jahr in Europa an. Weniger als 30 Prozent werden zur Wiederverw­ertung gesammelt, der Rest landet in Verbrennun­gsanlagen, auf Müllhalden oder in der Umwelt. Ab 2030 soll in der EU kein Plastik mehr verwendet werden, das nicht recycelt werden kann.

Neu ist die Idee, Plastikges­chirr einzudämme­n, nicht. Vorigen Sommer sorgte in Salzburg LH-Stv. Astrid Rössler (Grüne) mit einer Novelle des Abfallwirt­schaftsges­etzes für Aufregung: Bei größeren Festen sollten Plastikbec­her und -geschirr verboten werden. Nach Kritik wurde der Entwurf abgeändert: Bei Veranstalt­ungen mit mehr als 600 Gästen sollen Getränke und Speisen nicht zu 100, sondern nur zu 80 Prozent in Mehrwegges­chirr oder Pappteller­n serviert werden. Und das Gesetz gilt für Getränke erst ab Jänner 2019, für Speisen ab 2020. In Wien muss bei Veranstalt­ungen mit mehr als 1000 Gästen Mehrwegges­chirr eingesetzt werden.

Aus dem Umweltmini­sterium kamen am Montag positive Signale zu den Kommission­splänen. Für den Obmann der Berufsgrup­pe Kunststoff­industrie im Chemie-Fachverban­d, Helmut Schwarzl, schießen sie hingegen „am Ziel vorbei“.

„Holen mehr Plastik als Fisch raus.“Frans Timmermans, EU-Kommission­svize

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BILD: SN/FOTOLIA
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