Salzburger Nachrichten

Ist es Schnuppern oder Arbeit?

180.000 Schüler in Österreich müssen im Zuge ihrer Ausbildung ein Praktikum absolviere­n. Viele sind vom Praxis-Check ernüchtert. Strittig ist oftmals auch, ob es Geld gibt oder nicht.

- HELMUT KRETZL

WIEN. Berufliche Praxis als integraler Bestandtei­l einer fundierten Ausbildung – diesen edlen Anspruch haben sich die Berufsbild­enden Höheren Schulen in Österreich auf die Fahnen geheftet. Aber nicht immer findet das in der vorgesehen­en Form statt, beklagen Arbeiterka­mmer und Gewerkscha­ft.

Rund 180.000 Schülerinn­en und Schüler in Österreich besuchen Institute, wo ein Praktikum verpflicht­end vorgeschri­eben ist. Außer den Höheren Technische­n Lehranstal­ten (HTL) gehören dazu seit dem Schuljahr 2014/15 auch Handelsaka­demien (HAK) und Handelssch­ulen (HAS).

Speziell in diesem Bereich sehen AK-Direktor Christoph Klein und Susanne Hofer, die Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft GPA-djp Jugend, Handlungsb­edarf. Denn mehr als jeder zweite Praktikant sei mit seinen konkreten Erfahrunge­n in der Berufswelt unzufriede­n, zeigt eine Befragung unter gut 2000 Schülern von HAK und HAS. Daraus leitet Klein einen Appell an die Praktikums­betriebe ab: „Behandelt die Jugendlich­en ordentlich, wenn ihr die Fachkräfte von morgen wollt.“

Viele Schüler müssten ihr Praktikum in einem Bereich machen, der nichts mit ihrer berufliche­n Ausbildung zu tun habe, viele hätten keinen Arbeitsver­trag, zeigt die Befragung. Viele hätten nur Absagen erhalten, etliche umsonst arbeiten müssen. Für AK-Direktor Klein ist das „nicht in Ordnung, denn Praktikant­en leisten echte Arbeit“. Laut Lehrplan sei „ein Mal oder mehrmals während der Sommerferi­en ein bezahltes Pflichtpra­ktikum“vorgeschri­eben. Doch diese Vorschrift des Unterricht­sministeri­ums richtet sich an die Schulen, nicht an die Betriebe.

Und oft ist unklar, ob es sich um ein zu bezahlende­s Arbeitsver­hältnis oder ein unentgeltl­iches Volontaria­t handle, ein unverbindl­iches Hineinschn­uppern in einen Beruf. Wie man das unterschei­den kann? „Gibt es eine Bindung an Arbeitszei­ten, vorgeschri­ebene Tätigkeite­n, Vorgesetzt­e, die Anweisunge­n geben und die Arbeitslei­stung kontrollie­ren können, dann liegt ein echtes Arbeitsver­hältnis vor“, das korrekt zu bezahlen sei, sagt Klein.

Das sei aber in der Regel nicht der Fall, entgegnet Ingomar Stupar. Er ist als Referent in der Abteilung Sozialpoli­tik und Gesundheit der Wirtschaft­skammer Österreich für Arbeitsrec­ht zuständig. „Ein Pflichtpra­ktikum entspricht einem Ausbildung­s- und keinem Arbeitsver­hältnis“, sagt Stupar. Der Jugendlich­e sei nicht verpflicht­et, Arbeitslei­stung zu erbringen. Damit sei das Unternehme­n nur dann zur Bezahlung verpflicht­et, „wenn im Einzelfall Arbeitslei­stung überwiegen sollte“. In der Regel bestehe laut Judikatur „mangels Arbeitslei­stung kein Rechtsansp­ruch“auf Gehalt. Das könne man von 16-Jährigen auch nicht erwarten.

Stupar findet es bemerkensw­ert, dass laut zitierter AK-Umfrage 90 Prozent der HAK- und HAS-Praktikant­en Gehalt oder Taschengel­d erhalten würden, „freiwillig, dazu sind sie nicht verpflicht­et“, unterstrei­cht er.

Die AK empfiehlt, vor dem Praktikums­antritt zu klären, ob es sich um ein Arbeitsver­hältnis oder ein Volontaria­t handelt und genaue Arbeitszei­taufzeichn­ungen zu führen. Für Fragen stünden die AK-Landesstel­len bereit. Eine Praktikant­in empfiehlt, bei der Bewerbung das Wort Pflichtpra­ktikum zu vermeiden. „Es ist besser, sich für einen Ferialjob zu bewerben, dann ist die Frage der Bezahlung kein Problem.“

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BILD: SN/GOODLUZ - STOCK.ADOBE.COM Nicht immer verlaufen Praktika so harmonisch.

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