Macron lud „Spiderman“ein
Ein 22-jähriger Mann aus Mali rettete in Paris ein Kind von einem Balkon. Der Held soll nun Franzose werden. Präsident Macron hat auch ein Jobangebot für ihn.
PARIS. Die Geschichte könnte aus einem Abenteuerbuch für Kinder stammen: Doch sie hat sich wirklich so zugetragen – in Paris an einem Abend des vergangenen Wochenendes. Nun ist die beispiellose Kletteraktion, mit der ein junger Mann aus Mali ein vierjähriges Kind aus einer lebensgefährlichen Lage befreite, mit allen Details zum meistdiskutierten Gesprächsstoff in der französischen Hauptstadt geworden. Sogar dem amerikanischen TV-Sender CNN war die mutige Tat des zum Helden aufgestiegenen afrikanischen Migranten ohne gültige Papiere eine Reportage wert. Am Montag empfing ihn sogar Präsident Emmanuel Macron im Élysée-Palast.
Mamoudou Gassama wird in den Medien und sozialen Netzwerken als „Spiderman aus dem XVIII.“gefeiert – in Anspielung auf den Filmhelden und den 18. Pariser Stadtbezirk. Der Malier wollte sich am Samstagabend mit Freunden treffen, als er im Pariser Norden auf eine vor einem mehrstöckigen Wohnhaus versammelte Menschenmenge stieß, die unter lautem Geschrei und dem Gehupe von blockierten Autos in die Höhe starrte.
Dort hing außen am Rand eines Balkons im vierten Stock ein vierjähriges Kind, das sich mit nur einer Hand festhielt. Vom Nachbarbalkon versuchte ein Mann, das Kind mit der Hand zu fassen, aber er konnte es nicht erreichen. Ohne lang zu überlegen, hangelte sich Mamoudou Gassama mit bloßen Händen von Balkon zu Balkon hoch und zog das Kind schließlich in Sicherheit. „Ich bin einfach losgeklettert und konnte, Gott sei Dank, das Kind retten“, sagte er später. Er habe Angst gehabt und die Knie hätten ihm gezittert, als er das Kind endlich den Feuerwehrleuten übergeben konnte. Aus der Menschenmenge am Fuß des Gebäudes waren die 30 Sekunden der spektakulären Rettung mit Fotohandys in Videos festgehalten worden, die millionenfach im Internet zu sehen waren, aber niemand hatte daran gedacht, sofort die Feuerwehr zu alarmieren.
In Abwesenheit der Mutter hatte der Vater das Kind allein in der Wohnung gelassen. Dem Mann drohen wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht bis zwei Jahre Gefängnis und 30.000 Euro Bußgeld. Staatsanwalt François Molins sagte dem Sender BFMTV, der Mann sei einkaufen gegangen und habe dann noch Pokémon Go gespielt. „Er ist erschüttert.“Ein Gerichtstermin ist für September angesetzt.
Mamoudou Gassama sieht dagegen einer aufgehellten Zukunft entgegen: Er war 2013 aus Mali aufgebrochen und hatte nach einem langen Weg über Burkina Faso, Niger, Libyen und Italien vor wenigen Monaten Frankreich erreicht, wo er als „Illegaler“in einem Pariser Vorort unterkam. Er werde alle nötigen Papiere bekommen und auch die französische Staatsbürgerschaft erhalten, versprach Präsident Macron am Montag. Er hatte sogar ein Jobangebot für den 22-Jährigen: Die Pariser Feuerwehr sei bereit, ihn aufzunehmen. Gassama erhielt zudem eine Urkunde für seinen „Mut und seine Aufopferung“.
Selbst die rechtspopulistische Nationale Front will nicht abseits stehen, schränkt aber ein, dass „die Gesamtheit der Illegalen“weiterhin aus Frankreich ausgewiesen gehöre.