Ötzis Herz war mit 46 Jahren verkalkt
Eine Bozner Radiologie-Studie zeigt: Die 5000 Jahre alte Gletschermumie alterte zu Lebzeiten adäquat zu den Männern heute.
Der Mann aus dem Eis hatte mit seinen vermutlich 46 Jahren drei Verkalkungen in den Koronargefäßen. Zu diesem Befund kam ein Team um die Bozner Radiologin Patrizia Pernter. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden soeben in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „RöFo – Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen“publiziert. Die gemessene koronare Kalklast ist vergleichbar mit der eines 40- bis 50-Jährigen hellhäutigen Mannes aus heutiger Zeit.
Ötzi ist eine Gletschermumie aus der späten Jungsteinzeit, die 1991 in den Ötztaler Alpen in Südtirol gefunden wurde. Das Alter der Mumie beträgt heute zirka 5250 Jahre. Da Ötzi keine überwiegend sitzende Lebensweise führte, schlussfolgern die Autoren, dass die genetische Anlage ein wichtiger Auslöser für die Arteriosklerose ist.
Bis zum Jahr 2013 war es aufgrund der bekannten Armhaltung von Ötzi nicht möglich, eine durchgehende computertomographische Aufnahme zu erstellen. Erst als neue CT-Geräte mit einer größeren Untersuchungsöffnung für Patienten zur Verfügung standen, konnte der Mann aus dem Eis in einem einzigen Durchgang im Zentralkrankenhaus Bozen gescannt werden.
Dadurch entstanden zum ersten Mal Bilder von Ötzis gesamter Brustregion, die in der Folge von Patrizia Pernter, Beatrice Pedrinolla und dem ehemaligen Primar der Röntgenabteilung im Krankenhaus Bozen, Paul Gostner, untersucht wurden.
Bei der Analyse des Brustraums fielen gleich drei Verkalkungen im Herzbereich auf. Ein Vergleich des Ärzteteams mit anderen Körperregionen, in denen häufig Kalkablagerungen zu beobachten sind, bestätigte das Ergebnis: Unter anderem sind auch im Bereich der Halsschlagader und an den Arterien der Schädelbasis von Ötzi Verkalkungen nachweisbar.
Der Nachweis von Verkalkungen im CT wird quantitativ angegeben mit einem Messsystem, das auf der Dichte und auf dem Volumen der Verkalkungen beruht. Dabei gibt es Unterschiede zwischen Ethnien, Geschlecht und Alter. Für Ötzi wurden die Vergleichswerte der Kaukasier (also hellhäutiger Menschen) herangezogen, wie von Arthur Agatston definiert, der die Methode entwickelt hat. Der Agatston-Score ist ein Maß dafür, wie stark die Herzkranzgefäße verkalkt sind. Die Herzkranzgefäße sind die Blutgefäße, die das Herz mit Sauerstoff versorgen. „Ist Kalk vorhanden, heißt das, dass arteriosklerotische Plaques vorhanden sind. Würde man die Verkalkungen auf das Herz eines Lebenden übertragen, so würde der bei Ötzi gemessene Wert dem eines zirka 45-jährigen Mannes mit heller Hautfarbe entsprechen“, erklärt Patrizia Pernter das medizinische Ergebnis beim Mann aus dem Eis.
Was dies für Ötzis weiteres Leben bedeutet hätte oder für heutige Menschen gleichen Alters bedeutet, erläutert sie ebenfalls: „Das Vorhandensein oder die Abwesenheit von Kalkablagerungen kann einen Wert haben bei der Berechnung des kardiovaskulären Risikos eines Patienten, das heißt, neben anderen Risikofaktoren (Blutfette, Rauchen, hoher Blutdruck, Diabetes) kann das Vorhandensein von Koronarverkalkungen ein zusätzlicher Hinweis sein auf erhöhtes Risiko, eine koronare Herzerkrankung zu haben oder in Zukunft zu entwickeln.“