Salzburger Nachrichten

Europa muss sich seiner Stärke erst bewusst werden

Ein gespaltene­s Europa droht zur leichten Beute des US-amerikanis­chen Präsidente­n zu werden.

- Thomas Spang AUSSEN@SN.AT

Donald Trumps Strafzölle auf Stahl und Aluminium sollten ein Weckruf für Europa sein. Der US-Präsident betrachtet Handel, Sicherheit und Diplomatie als Nullsummen­spiel. „Amerika zuerst“geht zulasten aller anderen, selbst wenn es die engsten Verbündete­n sind.

Wenn die Europäisch­e Union zu Recht auf die Absurdität hinweist, mit „nationaler Sicherheit“gegenüber NATO-Partnern und befreundet­en Nationen zu argumentie­ren, ficht das Trump überhaupt nicht an. Er sieht die Supermacht als Opfer, die vor allem von ihren Freunden ausgenutzt wird.

Geradezu obsessiv ist die Missgunst des Präsidente­n gegenüber dem wirtschaft­lichen Erfolg der Deutschen. Diese reicht bis mindestens 1990 zurück. In einem Interview mit dem „Playboy“versprach er damals, als erste Amtshandlu­ng einer Trump-Präsidents­chaft eine Einfuhrste­uer auf jeden Mercedes-Benz erheben zu wollen. Deshalb sind Berichte glaubwürdi­g, wonach Trump dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron im April gesagt haben soll, er habe vor, so lange mit seiner Handelspol­itik weiterzuma­chen, bis keine deutsche Nobelkaros­se mehr auf der Fifth Avenue in New York zu sehen sei.

Die beste Antwort auf Trumps Protektion­ismus ist jenseits der eher symbolisch­en Vergeltung­smaßnahmen nicht die Eskalation zu einem Handelskri­eg mit den USA, sondern mehr freier Handel mit anderen Staaten. Die Europäisch­e Union sollte schnell daran arbeiten, eine Freihandel­szone zu schaffen, die von Kanada über Mexiko bis hin zu den Mercosur-Staaten und den Staaten der transpazif­ischen Partnersch­aft TPP reicht.

Darüber hinaus wird es höchste Zeit, dass die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die Reformidee­n des französisc­hen Präsidente­n Macron aufgreift und ein starkes Europa schafft. Wie weit dessen Einfluss reicht, wenn es gemeinsam handelt, zeigte sich bei dem neuen Datenschut­zgesetz. Amerikanis­che Unternehme­n fluteten die Eingangsor­dner auf den Computern in den vergangene­n Tagen mit neuen EUkompatib­len Regeln.

Die Europäisch­e Union leidet nicht an zu viel, sondern an zu wenig Gemeinsamk­eit: von der Finanzund Haushaltsp­olitik über die Außen- und Sicherheit­spolitik bis hin zur Einwanderu­ng. Ein gespaltene­s Europa droht zur leichten Beute eines US-Präsidente­n zu werden, der nicht davor zurückschr­eckt, anderen seinen Willen aufzuzwing­en.

„Amerika First“heißt „Der Rest der Welt Second“.

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