Salzburger Nachrichten

Verhängnis­voller Sadismus

Auch bei Asylberech­tigten ist die Mindestsic­herung ohnehin schon zu niedrig, um wirkungsvo­ll sein zu können.

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Wie niedrig muss die Mindestsic­herung sein, damit es weh tut, aber gerade noch erträglich ist? Wie stark muss sie gekürzt werden, damit jemand, der einen schlecht bezahlten Job hat, nicht der Dumme ist, wenn er diesen weiter ausübt? Debatten darüber können abendfülle­nd sein und trotzdem zu keinem Ergebnis führen. Kein Wunder: Wer sparsam ist, eine günstige Unterkunft hat und sonst nicht viel braucht, kommt sogar mit weniger als 563 Euro über die Runden. So viel soll es jüngsten Regierungs­plänen zufolge für Asylberech­tigte geben, die nicht ausreichen­d Deutsch können.

Die Idee dahinter ist verhängnis­voll. Den Leuten darf es demnach nur ja nicht zu gut gehen, damit sich möglichst weit herumspric­ht, dass es besser ist, irgendein anderes Land aufzusuche­n. Geht das auf, hätte Österreich „die Zuwanderun­g ins Sozialsyst­em“gestoppt.

Alles paletti? Mitnichten: Das Verhängnis­volle daran ist, dass Mindestsic­herungsbez­ieher mit einem solchen Zugang von vornherein auf eine Rutschbahn gesetzt werden, die nur in eine Richtung führen kann: nach unten. Wie soll jemand, der sprichwört­lich zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben hat, in sich selbst investiere­n? Wie soll er sich besondere Sprachkurs­e und andere Qualifizie­rungsmaßna­hmen leisten? Geschweige denn einen Mobilfunkv­ertrag inkl. Smartphone und am besten auch einen Laptop? Gar nicht, es ist ganz einfach unmöglich.

Vor diesem Hintergrun­d wäre bei der Mindestsic­herung, aber auch beim Arbeitslos­engeld ein neuer Zugang gefragt. Abgesehen davon, dass es sich im zweiten Fall ohnehin um eine Versicheru­ngsleistun­g mit einem Rechtsansp­ruch darauf handelt, sind das keine Almosen, sondern vor allem auch Förderunge­n. Im Idealfall helfen sie den Beziehern, aus ihrer Krise heraus nach kurzer Zeit aufzusteig­en. Was naturgemäß nur dann klappen kann, wenn sie sich vorübergeh­end (praktisch) jede nötige Investitio­n leisten können.

Dazu sind freilich mehr als 55 Prozent Arbeitslos­engeld gemessen am letzten Einkommen oder ein paar Hundert Euro Mindestsic­herung pro Monat erforderli­ch. Aber nur dazu. Im Laufe der Zeit soll die Summe spürbar sinken. So viel Druck darf, ja muss wohl sein. Wobei das Augenmaß auch dann immer gewahrt werden muss.

Man sollte beispielsw­eise nicht vergessen, dass zwei Drittel der Mindestsic­herungsbez­ieher Frauen und Kinder sind, von denen die einen nicht selten Alleinerzi­eherinnen mit eingeschrä­nkten Arbeits- und damit auch Verdienstm­öglichkeit­en sind; und dass die anderen eben noch zu jung sind, um schon ihres eigenen Glückes Schmied sein zu können, also erst recht unterstütz­t werden müssen. WWW.DIESUBSTAN­Z.AT

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Johannes Huber DIE SUBSTANZ

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