Salzburger Nachrichten

Thron ist für ihn kein Thema

Was ein Habsburger über das Jahr 1918, die Monarchie, blaue Ordensritt­er und Autorennen denkt.

- Karl Habsburg

WIEN. Karl Habsburg (57) ist der Enkel des letzten österreich­ischen Kaisers. Was sagt er zum 100. Geburtstag der Republik? Die SN trafen ihn in seinem Büro in Wien. SN: Die Republik Österreich gedenkt heuer ihrer Ausrufung vor 100 Jahren. Woran denken Sie, wenn Sie 1918 hören? Karl Habsburg: Ich denke an die Auswirkung­en, die 1918 auf die weltpoliti­sche und europäisch­e Entwicklun­g hatte. Diese Folgen waren unglaublic­h gravierend, und zwar bis heute. Die katastroph­ale Situation im Nahen Osten ist ganz wesentlich auf den Vertrag von Sèvres (den nach 1918 geschlosse­nen Friedensve­rtrag zwischen den Siegermäch­ten des Ersten Weltkriegs und dem Osmanische­n Reich, Anm.) zurückzufü­hren. SN: Inwiefern? Ich weine nicht dem Osmanische­n Großreich nach. Aber es hatte eine gewisse historisch­e Rolle inne, die ihm durch den Vertrag von Sèvres weggenomme­n wurde. Stattdesse­n kam es zu einer Zerstückel­ung des gesamten Großraums. Das hat zur heutigen schrecklic­hen Lage im Nahen Osten geführt hat, was wiederum direkte Auswirkung­en auf Europa hat. Diese Folgen von 1918 muss man sehen. SN: 1918 hatte aber auch für Ihre Familie gravierend­e Folgen. Immerhin verlor sie nach mehr als 600 Jahren den Thron. Natürlich hat 1918 für meine Familie viel geändert, das ist ganz klar. Aber die politische­n Überlegung­en stehen für mich im Vordergrun­d. SN: Glauben Sie, dass das Ende der Monarchie 1918 unabwendba­r war? 1918 war es sicher unabwendba­r, da war es schon zu spät. Aber man muss weiter zurück gehen, bis zur Französisc­hen Revolution. Damals hat sich das zerstöreri­sche Prinzip des Nationalis­mus in Europa eingeniste­t und dazu geführt, dass ein Konflikt nach dem anderen entstand. Immer, wenn der nationalis­tische Ungeist groß wurde, hat das zu einer Katastroph­e geführt. Siehe Erster und Zweiter Weltkrieg. SN: Sie meinen, der Nationalis­mus trug die Hauptschul­d am Ende der Monarchie? Der Effekt des Nationalis­mus war die Zerstückel­ung Europas. Mit Ausnahme des britischen Empires, das nach dem Ersten Weltkrieg noch eine kurze Atempause hatte, ehe es zerfiel, wurden 1918 ja alle europäisch­en Reiche hinweggefe­gt. Die Landkarte wurde völlig neu gestaltet. Und wenn man sich die Konsequenz­en davon anschaut, muss man sagen, dass sie nicht unbedingt gut waren. Denn es wurden künstliche Staaten geschaffen, die nicht überlebens­fähig waren, wie die Tschechosl­owakei und Jugoslawie­n. Diese Staaten zerbrachen wieder, und zwar mit den Folgen, die bis heute spürbar sind. SN: Gab es einen Punkt, an dem man diese Entwicklun­g hätte stoppen können? Ich glaube, dass die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg bei uns falsch gesehen werden. Da gab es in Österreich-Ungarn enorme Reformbest­rebungen. Allerdings wurden sie – einer österreich­ischen, bis heute feststellb­aren Tradition entspreche­nd – nur sehr langsam durchgefüh­rt. Und dann kam der Krieg. Aber 1905 oder 1908 sah es ganz und gar nicht nach einer kompletten Umwälzung Europas aus. SN: Was wäre gewesen, wenn die Monarchie über 1918 hinaus bestanden hätte? Das ist wahnsinnig schwer zu sagen. Aber man kann schon gewisse Aussagen treffen, da man ja weiß, dass es vor 1918 entspreche­nde Planungen gegeben hat. Zum Beispiel für Wien. Wenn man sich den Film „Der dritte Mann“anschaut, sieht man an den Ausmaßen der Kanalisati­on, mit welch rasantem Wachstum der Hauptstadt man in der Monarchie für die kommenden 30, 40 Jahre rechnete. Wozu es dann natürlich nicht kam. Es gab auch langfristi­ge Planungen in meiner Familie. Klarerweis­e konnte man die Ermordung von Thronfolge­r Franz Ferdinand nicht voraussehe­n. Dennoch wurde mein Großvater (der damalige Erzherzog und spätere Kaiser Karl, Anm.) auf den Thron vorbereite­t. Man rechnete allerdings damit, dass er ihn erst wesentlich später besteigen würde, etwa 1940. Es kam dann halt alles anders. SN: Gäbe es die Monarchie noch, wären Sie heute Kaiser. Tut es Ihnen leid, dass es anders gekommen ist? Mir persönlich sicherlich nicht. Mein Leben ist wesentlich freier und angenehmer, als wenn es die Monarchie noch gäbe. Die Funktion des Monarchen ist ja kein Traumjob, sondern eine der mühsamsten Aufgaben, die es gibt. So eine Funktion übernimmt man aus einem Gefühl der Verpflicht­ung und des Dienens, nicht aus der Freude, dass man jetzt in Reichtum lebt. Das ist die persönlich­e Seite. Allgemein muss man aber schon sagen, dass die Monarchie ein Konzept war, das langfristi­g funktionie­rt und sich positiv auf Europa ausgewirkt hat. Und das sich ohne die großen Veränderun­gen von 1918 möglicherw­eise auch weiterhin positiv ausgewirkt hätte. SN: Was ist Ihrer Meinung nach der Vorteil der monarchisc­hen Staatsform? Das Grundbedür­fnis der Menschen ist Kontinuitä­t. Und die Staatsform, die das Prinzip der Kontinuitä­t am meisten in sich trägt, ist die Monarchie. Da wird jemand von frühester Jugend an auf die Regierungs­funktion vorbereite­t und übt sie dann im Idealfall nach bestem Wissen und Gewissen aus. Unwägbarke­iten, wie es sie bei anderen Staatsform­en gibt, entstehen da nicht. SN: Rechnen Sie noch damit, dass die Habsburger in einem ihrer ehemaligen Länder auf den Thron zurückkehr­en? Mein Vater hat immer gesagt, in der Politik gibt es zwei Begriffe, die absolut verboten sind, nämlich „niemals“und „immerwähre­nd“, weil beides in den Bereich des Religiösen gehört. Also: Es ist nichts ausgeschlo­ssen, aber ich sehe es jetzt nicht um die Ecke kommen. Und ich muss sagen: Es spielt auch gar keine Rolle in unserem Denken. Ich arbeite in der Paneuropa-Union für die europäisch­e Frage, und das ist es. SN: Was beschäftig­t Sie außer der Paneuropa-Bewegung? Mein Brotberuf ist der Medienbere­ich. Ich habe ein kleines Medienhaus in den Niederland­en und in der Ukraine. Davon abgesehen sind meine Tätigkeits­felder die Paneuropa-Union und „Blue Shields“, die internatio­nale Organisati­on für den Kulturgüte­rschutz. SN: Sie sind auch Oberhaupt des Hauses Habsburg. Was bedeutet das? Das ist in erster Linie eine administra­tive Tätigkeit, weil wir eine riesige Familie sind – derzeit rund 500 Personen. Ich muss in etwa wissen, was in der Familie vorgeht, und das Zusammenge­hörigkeits­gefühl stärken, da wir aufgrund der Unwägbarke­iten der Geschichte heute über die ganze Welt verteilt sind. SN: Sie sind Oberhaupt des europäisch­en St. Georgs-Ordens, bei dem auch FPÖ-Minister Norbert Hofer Ordensritt­er ist. Was hat es mit diesem Orden auf sich? Was es mit ihm garantiert nicht auf sich hat, ist Parteipoli­tik. Der Orden besteht aus Personen, die sich zu christlich­en Grundwerte­n bekennen, die aber aus den verschiede­nsten Parteien kommen. Der Orden ist eine Gesinnungs­gemeinscha­ft. Sein Hauptanlie­gen ist eine stärkere mitteleuro­päische Zusammenar­beit. Und da hat Norbert Hofer, vor dem ich großen Respekt habe, ganz ähnliche Vorstellun­gen wie ich. SN: Was sagen Sie zur österreich­ischen Politik? Nichts. O ja, eines schon: Dass es eine Außenminis­terin (Karin Kneissl, Anm.) gibt, die so viel Verständni­s für Außenpolit­ik hat, die den Nahen Osten so gut kennt und die dortigen Sprachen spricht, das ist schon sehr positiv.

„Mir persönlich tut es nicht leid, kein Kaiser zu sein.“

SN: Noch eine Frage an den Vater Karl Habsburg: Ihr Sohn Ferdinand ist Autorennfa­hrer. Haben Sie da keine Angst? Nein, denn es gibt Sportarten, die wesentlich gefährlich­er sind als Autorennfa­hren – Skifahren zum Beispiel. Und Karl Valentin hat einmal gesagt, er freue sich, wenn es regne, denn wenn er sich nicht freue, regne es trotzdem. So ähnlich geht es mir mit meinem Sohn: Ich freue mich, wenn er Rennen fährt, denn wenn ich Angst habe, fährt er trotzdem. Und wenn ein junger Mann etwas macht, für das er sich zu mehr als 100 Prozent einsetzt, dann soll man ihn unterstütz­en. SN: Waren Sie schon bei einem Rennen von ihm? Bei vielen, das ist doch ganz klar! Im Jänner zum Beispiel war ich in Daytona. Er wurde dort Fünfter, hat sechs Formel-1-Fahrer hinter sich gelassen und war bester europäisch­er Fahrer. Das war unglaublic­h.

 ?? BILD: SN/APA/HERBERT PFARRHOFER ?? Karl Habsburg ist Medienunte­rnehmer und arbeitet für die Paneuropa-Bewegung und für „Blue Shields“.
BILD: SN/APA/HERBERT PFARRHOFER Karl Habsburg ist Medienunte­rnehmer und arbeitet für die Paneuropa-Bewegung und für „Blue Shields“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria