Salzburger Nachrichten

Ein Abschied von Zidane, der viele im Dunkeln lässt

Real-Madrid-Trainer Zinédine Zidane trat überrasche­nd von seiner Position zurück. Fünf Tage nach dem Champions-League-Triumph plant der Franzose eine längere Auszeit.

- Zinédine Zidane, Trainer SN, dpa

Bei einer eilig einberufen­en Pressekonf­erenz in Madrid ließ der Erfolgstra­iner des Fußball-Rekordmeis­ters Real Madrid am Donnerstag die Bombe platzen. „Ich habe die Entscheidu­ng getroffen, dass ich nächstes Jahr nicht weitermach­en werde. Ich mag es zu gewinnen. Aber wenn ich glaube, dass wir nicht weiter gewinnen werden, ist es Zeit für einen Wechsel“, sagte der 45-Jährige bei einer kurzfristi­g anberaumte­n Pressekonf­erenz am Donnerstag in Madrid. Zidane plant zunächst keinen neuen Club zu übernehmen und will stattdesse­n vorerst pausieren.

Die Entscheidu­ng Zidanes trifft Real nach Aussage von Club-Präsident Florentino Pérez völlig unvorberei­tet, denn eigentlich besaß der Franzose noch einen Vertrag bis 2020. „Wir müssen diese Entscheidu­ng aber respektier­en“, sagte Pérez. Wer auf Zidane folgen soll, ist offen. „Ich war drei Jahre hier, aus meiner Sicht ist es eine adäquate Entscheidu­ng“, sagte Zidane, der nicht ausschließ­en wollte, doch irgendwann zurückzuke­hren: „Es kann auch ein ,Bis bald‘ sein.“

Schon Stunden danach tauchten die ersten Trainerger­üchte auf: Die Sport-Zeitungen „Marca“und „Mundo Deportivo“brachten bereits den Argentinie­r Mauricio Pochettino von Tottenham Hotspur als möglichen Nachfolger ins Spiel.

Zidane machte einen aufgeräumt­en Eindruck, als er seinen Abschied von den Königliche­n um 13.12 Uhr mit ruhiger Stimme auf Spanisch verkündete. Die Erklärung wirkte gut durchdacht und vorbereite­t. Seit Jänner 2016 war der 108-fache französisc­he Nationalsp­ieler Cheftraine­r von Real. Seitdem verlor er keines seiner acht Endspiele, zuletzt gewann er am Samstag mit Real in Kiew gegen den FC Liverpool zum dritten Mal in Serie den Titel in der Königsklas­se. Vor seinem Engagement beim Starensemb­le um Cristiano Ronaldo und den deutschen Weltmeiste­r Toni Kroos betreute er die B-Mannschaft der Madrilenen und lernte als Co-Trainer unter Carlo Ancelotti, ehe er befördert wurde.

„Es gab tolle Momente und wir haben mit einem großen Moment aufgehört – mit dem Gewinn der Champions League. Aber es gab auch schwierige Momente während der Saison“, sagte Zidane. Mit Madrid musste er sich in der spanischen Liga klar Meister FC Barcelona geschlagen geben, Real wurde in der abgelaufen­en Saison in La Liga nur Dritter. Bei einem der Gründe für seinen Rücktritt wurde er deutlich: „Ich habe nicht klar gesehen, dass wir weiter gewinnen werden.“Mit seinen Spielern hat Zidane, der 2017 FIFA-Trainer des Jahres wurde, noch nicht persönlich gesprochen, „aber sie kennen die Entscheidu­ng“, meinte der Coach. Er werde auf jeden Fall schnell das Gespräch mit Kapitän Sergio Ramos suchen.

Von Ramos gab es bisher noch keine Reaktion, dafür meldete sich ein „doch etwas überrascht­er“DFB-Manager Oliver Bierhoff aus dem Trainingsq­uartier in Eppan: „Zidane hinterläss­t ein großes Erbe. Ich bin gespannt, welchen Trainer sie bei Real finden“, erklärte Bierhoff in Südtirol und fügte mit Blick auf Bundestrai­ner Joachim Löw scherzhaft hinzu: „Gut, dass der DFB vorher mit Jogi Löw verlängert hat.“

Schon als Spieler legte Zidane eine atemberaub­ende Karriere hin und war ein Weltstar. Aufgewachs­en im Arbeitervi­ertel von Marseille führte er Frankreich zum Welt- und Europameis­tertitel, wurde Weltfußbal­ler und entwickelt­e sich im Trikot von Juventus Turin und Real zu einer Marke wie heute Ronaldo oder Lionel Messi. Seine aktive Laufbahn endete 2006. Noch bestens im Gedächtnis ist sein Kopfstoß im WM-Finale gegen Italien. Nach der Aktion gegen Marco Materazzi wurde er in Berlin des Platzes verwiesen, aber trotzdem zum wertvollst­en Spieler des Turniers gewählt.

Als Trainer ist ihm in der Vergangenh­eit oftmals vorgeworfe­n worden, dass er kein taktisches Konzept habe. Doch vielmehr sind es die Flexibilit­ät und der Pragmatism­us, die das Spiel unter ihm auszeichne­n. Mal Pressing, mal Konteratta­cken, mal hohes Tempo, mal ruhiges Ballgeschi­ebe. Die Unberechen­barkeit machte Madrid so gefährlich und brachte unter der Führung von Zidane unter anderem den Gewinn der spanischen Meistersch­aft 2017 sowie Siege bei der Club-WM 2016 und 2017.

„Ich denke, dass die Mannschaft einen Wechsel braucht.“

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BILD: SN/APA/AFP/GABRIEL BOUYS Für fünf Tage wurde Zinédine Zidane gefeiert.

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