Salzburger Nachrichten

Voneinande­r lernen

- 6840 Götzis

Frau Renate Ratzenböck hat in ihrem Leserbrief das Buch „Die Weisheit der Wölfe“zitiert. Die Entwicklun­gsgeschich­te von Menschen und Wölfen hat viele Parallelen und eine Schnittste­lle, die in der aktuellen Diskussion um den Wolf bisher nicht erwähnt wurde. Vor zirka 30.000 Jahren ist ein Teil der Wölfe von den Urmenschen zu Jagdkumpan­en „domestizie­rt“worden. Die Wissenscha­ft ist sich mittlerwei­le unsicher, welches Rudel sich vom anderen das Prinzip Kooperatio­n abgekupfer­t hat bzw. die Idee der artübergre­ifenden Kooperatio­n hatte. Es dürfte jedenfalls kein Zufall sein, dass der Schub der Gehirnentw­icklung beim Menschen (Übergang Neandertal­er zum Homo sapiens) genau in diese Zeitperiod­e fällt. Der Hund ist zum Sozialpart­ner, teilweise zum Partnerers­atz geworden, der Wolf sollte Wildtier bleiben dürfen. Dafür braucht er klare Signale/Grenzen, die er auch verstehen kann. Dazu gehören ein geschützte­r Lebensraum mit ausreichen­d Beutetiere­n ebenso wie Tabuzonen, die dem Menschen für seine Wirtschaft­sweise, zu der auch die traditione­lle Alpwirtsch­aft gehört, vorbehalte­n sind. Bei den „Herdenschu­tz“-Maßnahmen geht es genau um diese Signale. Dass es funktionie­ren kann, zeigt das Beispiel Schweiz. Auch dort werden einzelne Wölfe, die die Regeln nicht lernen, abgeschoss­en. Das wäre bei bestehende­r Rechtslage auch bei uns möglich, sollte aber immer Ultima Ratio bleiben. Ethisch gilt dieser Grundsatz für die Tötung jedes Tieres. Der polemische Vorschlag von Herrn Barth Herzog zur Bejagung der Kühe in den Alpen hat neben Geschmackl­osigkeit eine Parallelit­ät zum Wolf. Das auffällige „Aggression­sverhalten“der Kühe ist vermutlich deren gestörter Sozialisie­rung durch mangelnden Mensch-Tier-Kontakt und fehlerhaft­er Kommunikat­ion geschuldet. Voneinande­r lernen kann man nur in gegenseiti­gem Respekt und mit sachlichen Argumenten, nicht mit der sprichwört­lichen Keule. Dr. Erik Schmid,

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