Voneinander lernen
Frau Renate Ratzenböck hat in ihrem Leserbrief das Buch „Die Weisheit der Wölfe“zitiert. Die Entwicklungsgeschichte von Menschen und Wölfen hat viele Parallelen und eine Schnittstelle, die in der aktuellen Diskussion um den Wolf bisher nicht erwähnt wurde. Vor zirka 30.000 Jahren ist ein Teil der Wölfe von den Urmenschen zu Jagdkumpanen „domestiziert“worden. Die Wissenschaft ist sich mittlerweile unsicher, welches Rudel sich vom anderen das Prinzip Kooperation abgekupfert hat bzw. die Idee der artübergreifenden Kooperation hatte. Es dürfte jedenfalls kein Zufall sein, dass der Schub der Gehirnentwicklung beim Menschen (Übergang Neandertaler zum Homo sapiens) genau in diese Zeitperiode fällt. Der Hund ist zum Sozialpartner, teilweise zum Partnerersatz geworden, der Wolf sollte Wildtier bleiben dürfen. Dafür braucht er klare Signale/Grenzen, die er auch verstehen kann. Dazu gehören ein geschützter Lebensraum mit ausreichend Beutetieren ebenso wie Tabuzonen, die dem Menschen für seine Wirtschaftsweise, zu der auch die traditionelle Alpwirtschaft gehört, vorbehalten sind. Bei den „Herdenschutz“-Maßnahmen geht es genau um diese Signale. Dass es funktionieren kann, zeigt das Beispiel Schweiz. Auch dort werden einzelne Wölfe, die die Regeln nicht lernen, abgeschossen. Das wäre bei bestehender Rechtslage auch bei uns möglich, sollte aber immer Ultima Ratio bleiben. Ethisch gilt dieser Grundsatz für die Tötung jedes Tieres. Der polemische Vorschlag von Herrn Barth Herzog zur Bejagung der Kühe in den Alpen hat neben Geschmacklosigkeit eine Parallelität zum Wolf. Das auffällige „Aggressionsverhalten“der Kühe ist vermutlich deren gestörter Sozialisierung durch mangelnden Mensch-Tier-Kontakt und fehlerhafter Kommunikation geschuldet. Voneinander lernen kann man nur in gegenseitigem Respekt und mit sachlichen Argumenten, nicht mit der sprichwörtlichen Keule. Dr. Erik Schmid,