Von der Best-Practice-Krankheit und anderen hartnäckigen Plagen
In Unternehmen geht es mitunter zu wie in einem Zoo, in denen die Tiere nur noch im Kreis gehen.
Es ist schon verflixt: In vielen Unternehmen brechen altbewährte Geschäftsmodelle weg, ob in der Produktion, im Handel oder etwa im Energiegeschäft. Das lässt sich an geringeren Umsätzen und Gewinnmargen festmachen. Also sitzen die Entscheider in den Unternehmen zusammen und kauen Ideen für die Zukunft durch: „Geht nicht“, „Zu teuer“, „Passt nicht zu uns“oder „Mögen unsere Kunden nicht“, lauten die Kommentare der Runde und ehe man sich’s versieht, landet man wieder dort, wo man angefangen hat. Planlosigkeit.
Es gibt kaum eine bessere Methode, um Innovation in einer Organisation zu verhindern, als ungeschliffene Rohdiamanten – im Sinn von neuartigen Ideen – einer Gruppe machtbewusster, aber unvorbereiteter Manager zum Fraß vorzuwerfen. Vor allem in Sitzungen stellt sich schnell ein Automatismus ein, der gar nicht so unähnlich dem Verhalten von Tieren ist, die in Zoogehegen eingesperrt sind: Man geht im Kreis. Jeder weiß es besser, warum die neue Idee nicht funktionieren kann. Man klopft sich auf die Brust, indem man eine noch schärfere Kritik anbringt als der Vorredner oder ein noch größeres Pfauenrad schlägt, was die eigene Erfahrung mit ähnlichen früheren Projekten betrifft. Am Ende ist alles totgeredet.
Wer nicht in der Lage ist, diesen Kritik-Wettbewerb zu durchbrechen, wird niemals den Pfad in die Zukunft finden: Was gestern war, gilt nicht mehr. Gesellschaft, Märkte und Technologien haben sich verändert, die Herausforderungen sind andere als in der Vergangenheit. Also: keine Ideendiskussion mehr, ohne dass sich die Teilnehmer auf eine Kultur der Offenheit ein- und vor allem drei Verhaltensweisen abschwören. Erstens: „Als ich in meinem früheren Job etwas Ähnliches gemacht habe“ist nicht erlaubt, weil man von neuen Voraussetzungen ausgehen muss und zukunftsträchtige Geschäftsmodelle nur im Tun entstehen. Das heißt: experimentieren, anstatt vorschnell Ideen mit Killerphrasen aus der Vergangenheit ab- zuwürgen. Zweitens: Weg mit dem Return on Investment (ROI) am Beginn von Innovationsprojekten. Ob und wie schnell ein neues Geschäft Gewinne abwirft, stellt sich oft erst später heraus, wenn die Art der Umsetzung klar ist. Eine wichtigere Kennzahl ist der sogenannte Use Case: Werden Kunden das tatsächlich brauchen und werden sie dafür auch bezahlen? Nur dann lohnt es sich, ein Projekt weiterzuverfolgen. Drittens: Weg mit den weitverbreiteten Best Practices, so nennt man Vorbildprojekte aus der eigenen Branche. Wenn man sich neu erfinden muss, taugen keine Beispiele, die Konkurrenten vor drei bis fünf Jahren umgesetzt haben. Viel mehr bringt es, in ganz andere, entfernte Branchen hineinzuschauen, die schon ein Stück weiter sind. Gertraud Leimüller leitet ein Unternehmen für Innovationsberatung in Wien und ist stv. Vorsitzende der creativ wirtschaft austria.