Salzburger Nachrichten

Das Geheimnis mit den zwei Buchstaben an der Bürotür

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BERNHARD FLIEHER SALZBURG. Einmal, dieser Tage nämlich, ist sie nicht da. Ihren 70er feiert Helga Rabl-Stadler heute, Samstag, irgendwo. Kein Wort dazu. Über das nächste runde Jubiläum, dem sie nicht auskommt, wird sie ohnehin genug zu reden haben. Das wird 2020 sein. Da werden die Salzburger Festspiele 100 Jahre alt. Bis dahin hat sie ihren Vertrag verlängert. Oder wurde er verlängert? Sie wollte, die Gremien wollten. Erledigt. 25 Jahre wird sie dann Präsidenti­n sein. Sie ist das so sehr geworden, dass es schwer ist, zu glauben, dass sie einmal nicht da ist.

Wenn von Rabl-Stadler gesprochen wird, verschwind­et ihr Name häufig. Dann heißt es „die Präsidenti­n“. Aus der Bezeichnun­g ihres Jobs wurde eine Ehrbezeugu­ng, die hart und fleißig und konsequent erarbeitet ist. Präsidenti­nnen oder Präsidente­n gibt es viele. Wo der zugehörend­e Artikel aber so bestimmt betont wird wie bei ihr, ist dieses „Amt“etwas anderes. „Die Präsidenti­n“ist Kapitänin eines Kulturdamp­fers mit 66 Millionen Euro Budget, Dompteurin im Zirkus künstleris­cher Eitelkeite­n, raffiniert­e Ministerin für Äußeres und Finanzen und im Inneren sorgsame, aber durchaus strenge Mutterfigu­r. Oder wie sie selbst sagt: „Chefin einer Schraubenf­abrik.“Also etwas Handfestes, etwas, wofür es nicht schadet, beide Füße auf dem Boden zu haben. Alle Rädchen müssen laufen – und die Präsidenti­n weiß nicht nur, wie sie an ihnen drehen muss, sondern auch, wo das Schmieröl zu holen ist. Also wird „die Präsidenti­n“gesagt. Und mit den Jahren verschwand­en auch feindselig­e Untertöne aus diesen Worten.

Begonnen hat es anders vor 23 Jahren. Tochter eines Vaters, der zu den Mächtigen des Landes gehörte. Juristin. Kauffrau im Modegeschä­ft. Politikeri­n. Journalist­in. Wirtschaft­skämmerin. Beste Beziehunge­n. Und schlimmer noch: eine Frau! Sie habe Misstrauen gespürt, als sie anfing. Sie trat auch in manches Fettnäpfch­en. Heraus kam sie immer ein bisserl gescheiter. „Lernen, lernen, lernen“, empfahl sie einst in einem Interview auf die Frage, was im Leben weiterhelf­en kann.

Sie lernte von allen, die sie überstand. Aufregende Jahre mit Gerard Mortier. Eine leise Zeit mit Peter Ruzicka, in der jedoch das Haus für Mozart finanziert und das Mozartjahr 2006 gestemmt wurde. Dann kam der kumpelhaft­e Jürgen Flimm, danach kamen die Scharmütze­l mit Alexander Pereira und Interimslö­sung Sven-Eric Bechtolf. Die Affäre um die Osterfests­piele. Reformen nach einem Rechnungsh­ofbericht. Irgendwann im Lauf der Jahre war sie einfach immer da. Wenn es um die Salzburger Festspiele geht, sollte einem dazu vielleicht Mozart einfallen.

Schubert aber passt besser: „Sie, die nie begonnen. Sie, die immer war“, so lässt sich ein Liedtext aus der Deutschen Messe auf die Präsidenti­n umwandeln.

Alle weg mit der Zeit. Sie noch da – und jetzt, wie sie sagt, im „Traumteam“mit Markus Hinterhäus­er. „Ich bin Dienstleis­terin – dafür da, damit große Kunst im Licht stehen kann“, sagt sie. Und sie sagt auch, dass sie keinerlei Talent zur Frustratio­n besitze. Ärgern tut sie sich hin und wieder trotzdem, aber öffentlich wird das lange schon nicht mehr.

Im Lauf der Jahre verlässt aber doch manches Geheimnis das Festspielh­aus. Zum Beispiel die Geschichte mit den Buchstaben an ihrer Bürotür. „Präsident“stand drauf, als sie 1995 einzog als Nachfolger­in von Heinrich Wiesmüller. Rabl-Stadler wollte ein „in“drangefügt haben. Der Hausverwal­ter meinte damals, dass sich das doch überhaupt nicht auszahle. Wie man sich täuschen kann …

Wie heißt es in der SchubertMe­sse: „Ewig ist und waltet …“Nun, man muss es nicht übertreibe­n. Aber dass sie dieser Tage weg ist, hat ausschließ­lich mit dem Geburtstag zu tun. Danach wird sie wieder da sein, die Präsidenti­n.

„Im Leben hilft lernen, lernen, lernen.“

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Helga Rabl-Stadler, Präsidenti­n

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