Das Rad ist auf der Überholspur
Immer mehr Österreicher treten regelmäßig in die Pedale. Vor allem E-Bikes erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Im Vergleich mit anderen Ländern ist dennoch viel Luft nach oben.
WIEN. Als der Europäische Tag des Fahrrads in Österreich zum ersten Mal begangen wurde, hielt sich die Begeisterung hierzulande in überschaubaren Grenzen. Das war am 3. Juni 1998. 20 Jahre später ist die Alpenrepublik, was das Radfahren betrifft, kaum wiederzuerkennen.
Radwege, wohin das Auge blickt. Selbst aufgelassene Bahnstrecken wurden umfunktioniert. Entlang von Flüssen, rund um Seen, quer durch die Städte – die Österreicher treten immer öfter in die Pedale. 77 Prozent der heimischen Haushalte besitzen zumindest ein funktionstüchtiges Rad, wobei Salzburg mit 86 Prozent an der Spitze liegt. Laut Verkehrsclub Österreich (VCÖ) gibt es in den Bundesländern Wien und Salzburg bereits mehr Fahrrad- als Autohaushalte.
2,3 Millionen radeln regelmäßig, pro Jahr werden 400.000 Bikes verkauft. Fitness, Umweltbewusstsein und (vor allem in Städten) Zeitersparnis sind die Hauptfaktoren, warum immer öfter zum Rad- und nicht zum Autoschlüssel gegriffen wird. Der ÖAMTC bietet mittlerweile sogar Pannenhilfe für Radler an.
Ist das Rad in Österreich also unaufhaltsam auf dem Vormarsch? Jein. Denn im Vergleich zu anderen Ländern liegt man nach wie vor deutlich zurück. Sechs Prozent der Österreicher verwenden das Rad als Hauptverkehrsmittel. VCÖ-Angaben zufolge ergibt das – gemeinsam mit Italien, Kroatien und Lettland – Platz 14 im EU-Ranking. Spitzenreiter sind die Niederlande mit 36 Prozent, gefolgt von Dänemark mit 23 und Ungarn mit 22 Prozent.
Der Verein „Radlobby Österreich“bringt es am Beispiel Amsterdam auf den Punkt. Die niederländische Metropole mit rund einer Million Einwohner verzeichne pro Tag 628.000 Radfahrten. Der Autoverkehr habe in knapp zwei Jahrzehnten von 39 auf 24 Prozent Verkehrsmittelanteil abgenommen. Allein die Förderung von Radfahren führe jedoch nicht zum Ziel. Ebenso wichtig seien unbeliebte Maßnahmen wie Verkehrsberuhigung, Stellplatzund Fahrspurrückbau sowie eine ökologische Steuerpolitik, die Umwelt- und Gesundheitseffekte von Verkehr mit berücksichtige.
Mag bei der allgemeinen Nutzung des Fahrrads noch Luft nach oben sein, so haben im Gegensatz dazu die E-Bikes bei den Österreichern voll eingeschlagen. 120.000 Stück wurden allein im Vorjahr verkauft, was 29 Prozent Anteil am Gesamtmarkt entspricht, wie der Verband für Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs (VSSÖ) berichtet. Das bedeutet Platz drei in der EU-Tabelle hinter den Niederlanden und Belgien.
Doch bei aller Faszination, die das Radfahren ausübt, sollte man die Gefahren, die von ihm ausgehen, nicht außer Acht lassen. Laut Innenministerium starben im Vorjahr bei Unfällen 32 Radfahrer. 2016 verletzten sich nach Angaben des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) bundesweit fast 20.000 Personen. Die Unfallzahlen stagnieren „auf zu hohem Niveau“, konstatierte Armin Kaltenegger vom KFV. Bei Unfällen mit Pkw seien in drei Vierteln der Fälle die Autofahrer schuld. Kreuzungen sind der Hotspot.
Ein Hotspot der kriminellen Art ist der Abstellplatz. Laut Bundeskriminalamt wurden 2017 insgesamt 24.795 Fahrräder als gestohlen gemeldet. „Fahrraddiebe haben es in Österreich sehr leicht, denn die Radfahrer gehen sehr sorglos mit ihren Zweirädern um“, kritisierte der Versicherungsverband VVO.
Eine Erhebung des KFV in Wien, St. Pölten, Graz und Salzburg ergab, dass der Anteil ungenügend gesicherter Fahrräder im Jahr 2018 bei 65 Prozent lag. 48 Prozent waren durch einfache Spiral- oder Kabelschlösser gesichert, die von Dieben innerhalb weniger Sekunden unauffällig mit Seitenschneidern durchtrennt werden können.