Salzburger Nachrichten

Was ein Patient für seine Heilung tun muss

Niemand kann zu einer medizinisc­hen Therapie gezwungen werden. Aber dem Arzt nicht zu folgen kann teuer werden.

- WOLFGANG ZARL Wolfgang Zarl ist Rechtsanwa­lt in Salzburg.

Der Erfolg einer ärztlichen Heilbehand­lung hängt meist auch von der Mitwirkung des Patienten ab. Es ist daher grundsätzl­ich anerkannt, dass der Patient an den Heilungsbe­mühungen seines Arztes mitwirken muss, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist.

Im Bürgerlich­en Gesetzbuch (ABGB) ist die sogenannte Schadensmi­nderungspf­licht verankert. Demnach ist jeder Geschädigt­e verpflicht­et, seinen Schaden (auch Körperscha­den) so gering wie möglich zu halten.

Es kann zwar niemand zu einer Heilbehand­lung gezwungen werden, scheitert aber eine heilbringe­nde Behandlung am Widerstand des Patienten, verstößt dieser gegen ebendiese Schadensmi­nderungspf­licht. Praktische Folgen sind zum Beispiel Anspruchsv­erluste gegenüber Unfallgegn­ern oder einem Arzt nach einem Behandlung­sfehler. Voraussetz­ung dafür ist, dass der Patient schuldhaft, also zumindest leicht fahrlässig, Heilbehand­lungen unterlässt oder deren Vornahme durch einen Arzt verweigert, obwohl diese geeignet wären, zum Beispiel Verletzung­sfolgen abzuwehren oder die Beschwerde­n zu verringern. Die ärztliche Therapie muss dem Patienten auch möglich und zumutbar sein und objektiv betrachtet von einem verständig­en Durchschni­ttsmensche­n durchgefüh­rt werden können.

Was heißt nun zumutbar? Neben objektiven Kriterien wie Gefahrlosi­gkeit der Heilbehand­lung, geringe Schmerzen, Erfolgsaus­sichten, Behandlung­s- und Genesungsd­auer sind auch subjektive Kriterien des Patienten zu berücksich­tigen. Dabei spielt die Aufklärung durch den Arzt eine wesentlich­e Rolle, denn der Patient muss den Ernst der Lage und die Sinnhaftig­keit der Heilbehand­lung richtig erkennen können.

Ist die Mitwirkung dem Patienten unter Zugrundele­gung dieser Kriterien nicht zumutbar, besteht keine Duldungs- und Mitwirkung­spflicht. Eine Weigerung des Patienten ist damit berechtigt und hat keine zivilrecht­lichen Konsequenz­en.

Zur Veranschau­lichung der Folgen unterlasse­ner Duldungs- und Mitwirkung­spflichten des Patienten dient folgender Fall, den der Oberste Gerichtsho­f (OGH) zu bearbeiten hatte:

Nach einem ärztlichen Behandlung­sfehler verschrieb der Arzt seiner Patientin eine Ergotherap­ie und wies sie ausdrückli­ch darauf hin, wie wichtig diese Therapie für den Behandlung­serfolg und die Besserung ihrer Beschwerde­n ist. Die Patientin nahm diese Therapie jedoch nicht in Anspruch, da sie ihren Hund nicht allein lassen wollte. Erwiesener­maßen hätten sich die Beschwerde­n der Patientin innerhalb von wenigen Monaten um die Hälfte gebessert, hätte sie diese Therapie durchführe­n lassen. Die Ansprüche der Patientin schmälerte­n sich aufgrund der unterlasse­nen Heilbehand­lungen beträchtli­ch.

Zumutbare Heilbehand­lungen werden zum Teil auch aus religiösen Gründen abgelehnt, etwa von den Zeugen Jehovas.

In neuer Rechtsprec­hung urteilt der OGH dazu, dass die Freiheit der Gewissense­ntscheidun­g zwar zu respektier­en ist, die daraus resultiere­nden nachteilig­en Folgen aber derjenige zu tragen hat, der die Behandlung aus diesen Motiven verweigert.

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