Österreich pflegt seine Kontakte zu Russland
Präsident und Regierung bereiteten Wladimir Putin einen großen Empfang. Bei den Sanktionen gab es aber keine Zugeständnisse.
Der sechste Besuch von Wladimir Putin in Österreich war gleichzeitig sein erster in einem EU-Land nach der diplomatischen Krise rund um die Skripal-Affäre. Doch Österreichs Präsident Alexander Van der Bellen stellte nach seinem Gespräch mit dem russischen Präsidenten das Verbindende in den Vordergrund. Er sprach davon, dass Russland zu einem großen Teil in Europa liege und deshalb nicht als Außenstehender zu sehen sei. Beide Seiten stellen deshalb die wirtschaftlichen Beziehungen in den Vordergrund.
WIEN. Wladimir Putins Sprecher Dmitrij Peskow war beim Eintreffen des Präsidenten optimistisch: Auch die schwierigen Themen sollten an diesem sonnigen, heißen Dienstag in Wien angesprochen werden, meinte er. Schließlich verliefen die Gespräche zwischen Österreich und Russland in ruhiger Atmosphäre und seien von Vertrauen geprägt – in so einem Dialog ließen sich Entscheidungen besser treffen.
Entscheidungen fielen im Gespräch zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und Alexander Van der Bellen dann allerdings nur bei den eher einfachen Themen: Die Kultur-Kooperation zwischen Österreich und Russland wird fortgesetzt, in den kommenden beiden Jahren gibt es Projekte für Jugendliche und in den Bereichen Literatur und Theater. Außerdem soll der Handel zwischen den beiden Ländern verstärkt werden. Die gegenseitigen Handelsbeziehungen wurden in den weiteren Gesprächsrunden im Detail besprochen.
Der Terminkalender des russischen Präsidenten war erwartungsgemäß voll, dauerte sein eintägiger Besuch in Wien tatsächlich doch nur acht Stunden. Mit 20-minütiger Verspätung landete Putin am frühen Nachmittag am Flughafen Wien. Außenministerin Karin Kneissl begrüßte ihn mit einer kleinen Delegation. Von dort ging es weiter in die Hofburg, wo Bundespräsident Alexander Van der Bellen seinen russischen Amtskollegen mit militärischen Ehren empfing.
Es war Putins sechster offizieller Besuch in Österreich, seit er im Jahr 2000 die Macht in Russland übernommen hatte – und sie wechselweise als Premierminister oder Präsident hält. Besonders umstritten war seine Wien-Visite im Jahr 2014. Putin kam kurz nach der russischen Annexion der Halbinsel Krim auf Einladung des damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer nach Österreich – als die ersten EU-Sanktionen gegen Russland in Kraft getreten waren und Brüssel bemüht war, die Union nicht von Moskau spalten zu lassen.
Auch diesmal folgte der Besuch einer Krise, es war Putins erste Reise in ein EU-Land nach dem Nervengiftanschlag auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal in England.
Erste Reise in EU-Land nach der Skripal-Affäre
Die strittigen Themen sind heute beinahe dieselben wie damals: Der Krieg in der Ukraine ist noch immer nicht vorbei und die EU-Sanktionen sind daher weiter in Kraft. Zuletzt wurden sie im März von den EU-Außenminister um sechs Monate bis September verlängert – einstimmig, also mit der ausdrücklichen Zustimmung Österreichs.
Dass Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) trotzdem die „leidigen Sanktionen gegen Russland beenden“will, wie er im Vorfeld von Putins Besuchs sagte, sorgt in anderen EU-Ländern für Stirnrunzeln, vor allem im Baltikum. Die liberale lettische Tageszeitung „Diena“ schrieb gestern, Dienstag, Wien sei „eine der wenigen Hauptstädte in Europa, wo der Kremlchef mit offenen Armen erwartet“werde. Auch auf Straches Forderung nach einer Aufhebung der Sanktionen nahm die Zeitung Bezug und ergänzte: „Und Österreich wird im Juli die EURatspräsidentschaft übernehmen.“
Bislang ist Österreich, obwohl es seit jeher zu den Kritikern der Sanktionen zählt, nie von der EU-Linie abgewichen. Daran ändert auch Putins Besuch nichts. Im Gegenteil: Bundespräsident Van der Bellen betonte nach dem Treffen mit Putin, dass Österreich „in außenpolitischer Hinsicht in Einklang mit der Europäischen Union handelt und handeln wird“. Nach einem Verweis auf die baldige österreichische Ratspräsidentschaft sagte er aber auch, Österreich habe sich immer bemüht, beim Abbau von Spannungen zu helfen. Eine „grundsätzliche Vertrauenskrise gegenüber Russland sehe ich nicht“, sagte Van der Bellen.
Um eine Vermittlerrolle Österreichs in der Sanktionsfrage dürfte Russland nicht explizit gebeten haben. „Die russische Seite spricht Sanktionen bei solchen bilateralen Treffen nicht an“, sagte Emil Brix, Direktor der Diplomatischen Akademie und bis vor Kurzem Botschafter in Moskau, vor dem Treffen in Wien. Präsident Putin blieb dann auch ziemlich allgemein: Die Sanktionen seien eine sehr einseitige Sache. Sie seien schädlich für alle, daher seien auch alle Seiten daran interessiert, sie abzubauen. „Auch wir sind daran interessiert“, sagte Putin in Wien.
Auf die Rolle Österreichs bei der Umsetzung dieses Interesses ging Putin nicht ein. Ganz allgemein werde Österreich in Moskau zwar als „interessanter Player“gesehen, meinte Brix. Allerdings nicht als ein besonders mächtiger. Der Besuch des russischen Präsidenten in Wien sei daher auch als Signal der russischen Führung an die internationale Politik zu sehen: Ein Entgegenkommen gegenüber Europa werde nicht mehr ausgeschlossen. Gründe dafür sind das immer schlechter werdende Verhältnis Russlands zu den USA und die wenig aussichtsreiche Beziehung zu China. Wenn Putin in seiner Amtszeit noch etwas erreichen wolle, dann erreiche er es nur mit Europa, meint Brix. Das betrifft nicht nur geopolitische Ziele, sondern auch den wirtschaftlichen Aufschwung. Entsprechend großen Raum nahmen beim Amts- besuch die gemeinsame Wirtschaftsinitiativen ein.
In erster Linie sprach Putin in Wien über die Handelsbeziehungen im Energiesektor. Die Diskussion über den Bau der Pipeline Nord Stream 2, die er bei Präsident Van der Bellen schon angesprochen hatte, wollte er auch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz weiterführen. Österreich unterstützt das Projekt.
Außerdem gibt es eine Reihe von anderen Wirtschaftsbereichen, in denen Österreich und Russland künftig enger zusammenarbeiten wollen, etwa bei Holzverarbeitung und Transport.
Nach Putins Gesprächen mit Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache unterzeichnete eine Reihe von Fachministern der österreichischen und russischen Regierung Vereinbarungen zur Zusammenarbeit. Die russischen Minister für Verkehr, natürliche Ressourcen, Industrie und Handel, Kultur, Energiewirtschaft und wirtschaftliche Entwicklung waren dazu eigens mit ihrem Präsidenten nach Wien angereist.
Gestärkt sollten die wirtschaftlichen Bande später auch auf Ebene der Unternehmen werden. Der Kremlchef besuchte in der Wirtschaftskammer ein Treffen des österreichisch-russischen Geschäftsrats, eines Zusammenschlusses von rund 300 Unternehmen aus beiden Ländern. Dort hielt Putin auch eine Rede, bevor er zum letzten Termin an diesem Tag weiterzog: ins Kunsthistorische Museum, wo eine Ausstellung mit Leihgaben der Eremitage eröffnet wurde.
Gegen 21 Uhr endete die Kurzvisite des russischen Präsidenten. Er hinterließ das Versprechen, seinen Amtskollegen Alexander Van der Bellen „gern und jederzeit“in Moskau zu begrüßen.