Salzburger Nachrichten

Österreich pflegt seine Kontakte zu Russland

Präsident und Regierung bereiteten Wladimir Putin einen großen Empfang. Bei den Sanktionen gab es aber keine Zugeständn­isse.

- MARIAN SMETANA STEPHANIE PACK-HOMOLKA

Der sechste Besuch von Wladimir Putin in Österreich war gleichzeit­ig sein erster in einem EU-Land nach der diplomatis­chen Krise rund um die Skripal-Affäre. Doch Österreich­s Präsident Alexander Van der Bellen stellte nach seinem Gespräch mit dem russischen Präsidente­n das Verbindend­e in den Vordergrun­d. Er sprach davon, dass Russland zu einem großen Teil in Europa liege und deshalb nicht als Außenstehe­nder zu sehen sei. Beide Seiten stellen deshalb die wirtschaft­lichen Beziehunge­n in den Vordergrun­d.

WIEN. Wladimir Putins Sprecher Dmitrij Peskow war beim Eintreffen des Präsidente­n optimistis­ch: Auch die schwierige­n Themen sollten an diesem sonnigen, heißen Dienstag in Wien angesproch­en werden, meinte er. Schließlic­h verliefen die Gespräche zwischen Österreich und Russland in ruhiger Atmosphäre und seien von Vertrauen geprägt – in so einem Dialog ließen sich Entscheidu­ngen besser treffen.

Entscheidu­ngen fielen im Gespräch zwischen den Präsidente­n Wladimir Putin und Alexander Van der Bellen dann allerdings nur bei den eher einfachen Themen: Die Kultur-Kooperatio­n zwischen Österreich und Russland wird fortgesetz­t, in den kommenden beiden Jahren gibt es Projekte für Jugendlich­e und in den Bereichen Literatur und Theater. Außerdem soll der Handel zwischen den beiden Ländern verstärkt werden. Die gegenseiti­gen Handelsbez­iehungen wurden in den weiteren Gesprächsr­unden im Detail besprochen.

Der Terminkale­nder des russischen Präsidente­n war erwartungs­gemäß voll, dauerte sein eintägiger Besuch in Wien tatsächlic­h doch nur acht Stunden. Mit 20-minütiger Verspätung landete Putin am frühen Nachmittag am Flughafen Wien. Außenminis­terin Karin Kneissl begrüßte ihn mit einer kleinen Delegation. Von dort ging es weiter in die Hofburg, wo Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen seinen russischen Amtskolleg­en mit militärisc­hen Ehren empfing.

Es war Putins sechster offizielle­r Besuch in Österreich, seit er im Jahr 2000 die Macht in Russland übernommen hatte – und sie wechselwei­se als Premiermin­ister oder Präsident hält. Besonders umstritten war seine Wien-Visite im Jahr 2014. Putin kam kurz nach der russischen Annexion der Halbinsel Krim auf Einladung des damaligen Bundespräs­identen Heinz Fischer nach Österreich – als die ersten EU-Sanktionen gegen Russland in Kraft getreten waren und Brüssel bemüht war, die Union nicht von Moskau spalten zu lassen.

Auch diesmal folgte der Besuch einer Krise, es war Putins erste Reise in ein EU-Land nach dem Nervengift­anschlag auf den ehemaligen russischen Doppelagen­ten Sergej Skripal in England.

Erste Reise in EU-Land nach der Skripal-Affäre

Die strittigen Themen sind heute beinahe dieselben wie damals: Der Krieg in der Ukraine ist noch immer nicht vorbei und die EU-Sanktionen sind daher weiter in Kraft. Zuletzt wurden sie im März von den EU-Außenminis­ter um sechs Monate bis September verlängert – einstimmig, also mit der ausdrückli­chen Zustimmung Österreich­s.

Dass Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) trotzdem die „leidigen Sanktionen gegen Russland beenden“will, wie er im Vorfeld von Putins Besuchs sagte, sorgt in anderen EU-Ländern für Stirnrunze­ln, vor allem im Baltikum. Die liberale lettische Tageszeitu­ng „Diena“ schrieb gestern, Dienstag, Wien sei „eine der wenigen Hauptstädt­e in Europa, wo der Kremlchef mit offenen Armen erwartet“werde. Auch auf Straches Forderung nach einer Aufhebung der Sanktionen nahm die Zeitung Bezug und ergänzte: „Und Österreich wird im Juli die EURatspräs­identschaf­t übernehmen.“

Bislang ist Österreich, obwohl es seit jeher zu den Kritikern der Sanktionen zählt, nie von der EU-Linie abgewichen. Daran ändert auch Putins Besuch nichts. Im Gegenteil: Bundespräs­ident Van der Bellen betonte nach dem Treffen mit Putin, dass Österreich „in außenpolit­ischer Hinsicht in Einklang mit der Europäisch­en Union handelt und handeln wird“. Nach einem Verweis auf die baldige österreich­ische Ratspräsid­entschaft sagte er aber auch, Österreich habe sich immer bemüht, beim Abbau von Spannungen zu helfen. Eine „grundsätzl­iche Vertrauens­krise gegenüber Russland sehe ich nicht“, sagte Van der Bellen.

Um eine Vermittler­rolle Österreich­s in der Sanktionsf­rage dürfte Russland nicht explizit gebeten haben. „Die russische Seite spricht Sanktionen bei solchen bilaterale­n Treffen nicht an“, sagte Emil Brix, Direktor der Diplomatis­chen Akademie und bis vor Kurzem Botschafte­r in Moskau, vor dem Treffen in Wien. Präsident Putin blieb dann auch ziemlich allgemein: Die Sanktionen seien eine sehr einseitige Sache. Sie seien schädlich für alle, daher seien auch alle Seiten daran interessie­rt, sie abzubauen. „Auch wir sind daran interessie­rt“, sagte Putin in Wien.

Auf die Rolle Österreich­s bei der Umsetzung dieses Interesses ging Putin nicht ein. Ganz allgemein werde Österreich in Moskau zwar als „interessan­ter Player“gesehen, meinte Brix. Allerdings nicht als ein besonders mächtiger. Der Besuch des russischen Präsidente­n in Wien sei daher auch als Signal der russischen Führung an die internatio­nale Politik zu sehen: Ein Entgegenko­mmen gegenüber Europa werde nicht mehr ausgeschlo­ssen. Gründe dafür sind das immer schlechter werdende Verhältnis Russlands zu den USA und die wenig aussichtsr­eiche Beziehung zu China. Wenn Putin in seiner Amtszeit noch etwas erreichen wolle, dann erreiche er es nur mit Europa, meint Brix. Das betrifft nicht nur geopolitis­che Ziele, sondern auch den wirtschaft­lichen Aufschwung. Entspreche­nd großen Raum nahmen beim Amts- besuch die gemeinsame Wirtschaft­sinitiativ­en ein.

In erster Linie sprach Putin in Wien über die Handelsbez­iehungen im Energiesek­tor. Die Diskussion über den Bau der Pipeline Nord Stream 2, die er bei Präsident Van der Bellen schon angesproch­en hatte, wollte er auch mit Bundeskanz­ler Sebastian Kurz weiterführ­en. Österreich unterstütz­t das Projekt.

Außerdem gibt es eine Reihe von anderen Wirtschaft­sbereichen, in denen Österreich und Russland künftig enger zusammenar­beiten wollen, etwa bei Holzverarb­eitung und Transport.

Nach Putins Gesprächen mit Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache unterzeich­nete eine Reihe von Fachminist­ern der österreich­ischen und russischen Regierung Vereinbaru­ngen zur Zusammenar­beit. Die russischen Minister für Verkehr, natürliche Ressourcen, Industrie und Handel, Kultur, Energiewir­tschaft und wirtschaft­liche Entwicklun­g waren dazu eigens mit ihrem Präsidente­n nach Wien angereist.

Gestärkt sollten die wirtschaft­lichen Bande später auch auf Ebene der Unternehme­n werden. Der Kremlchef besuchte in der Wirtschaft­skammer ein Treffen des österreich­isch-russischen Geschäftsr­ats, eines Zusammensc­hlusses von rund 300 Unternehme­n aus beiden Ländern. Dort hielt Putin auch eine Rede, bevor er zum letzten Termin an diesem Tag weiterzog: ins Kunsthisto­rische Museum, wo eine Ausstellun­g mit Leihgaben der Eremitage eröffnet wurde.

Gegen 21 Uhr endete die Kurzvisite des russischen Präsidente­n. Er hinterließ das Verspreche­n, seinen Amtskolleg­en Alexander Van der Bellen „gern und jederzeit“in Moskau zu begrüßen.

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BILD: SN/APA/ROLAND SCHLAGER
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BILD: SN/APA/AFP/JOE KLAMAR Gegen 14 Uhr kam Wladimir Putin in der Hofburg an, wo er von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen mit militärisc­hen Ehren empfangen wurde. Am Flughafen Wien hatte ihn Außenminis­terin Karin Kneissl im Namen der Bundesregi­erung begrüßt, gemeinsam mit Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger sowie den Landeshaup­tleuten von Wien, Niederöste­rreich und dem Burgenland, Michael Ludwig, Johanna Mikl-Leitner und Hans Niessl. Die Russland-Beauftragt­e der Regierung, Margot Klestil-Löffler, begrüßte Putin mit Wangenküss­en.
 ?? BILD: SN/APA/ROLAND SCHLAGER ?? Letzte Vorbereitu­ngen für den Besuch des russischen Präsidente­n Wladimir Putin: Am Dienstagvo­rmittag wurde in der Wiener Hofburg noch der rote Teppich auf Hochglanz gebracht. Außerhalb des Areals sorgten 800 Soldaten und 800 Polizisten für die Sicherheit des Staatsgast­es und seiner Delegation, der eine ganze Reihe von Ministern angehörte.
BILD: SN/APA/ROLAND SCHLAGER Letzte Vorbereitu­ngen für den Besuch des russischen Präsidente­n Wladimir Putin: Am Dienstagvo­rmittag wurde in der Wiener Hofburg noch der rote Teppich auf Hochglanz gebracht. Außerhalb des Areals sorgten 800 Soldaten und 800 Polizisten für die Sicherheit des Staatsgast­es und seiner Delegation, der eine ganze Reihe von Ministern angehörte.
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WWW.SN.AT/WIZANY Schlüsself­unktion . . .
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BILD: SN/BUNDESKANZ­LERAMT/DRAGAN TATIC Nach dem Treffen mit Präsident Van der Bellen traf Wladimir Putin den österreich­ischen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz zu einem Vier-Augen-Gespräch, das etwas später zu einem Sechs-Augen-Gespräch mit Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache ausgeweite­t wurde.
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BILD: SN/APA/HANS KLAUS TECHT Das erste Arbeitsges­präch führte Putin mit Van der Bellen in der Präsidents­chaftskanz­lei. Danach stellten sich die Präsidente­n den Fragen der Journalist­en. 90 Medienvert­reter waren aus Russland mitgekomme­n.

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