Salzburger Nachrichten

Zwischen Staatskuns­t und Schlawiner­tum

Österreich rollte dem russischen Halbdespot­en Wladimir Putin den roten Teppich aus. Warum eigentlich?

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Ist es weise Staatskuns­t? Oder aber handelt es sich um landesspez­ifisches Schlawiner­tum, wenn Österreich­s Regierung aus der europäisch­en Anti-PutinFront ausschert und dem russischen Präsidente­n in der Bundeshaup­tstadt den roten Teppich ausrollt? Möglicherw­eise haben beide Beurteilun­gen, so konträr sie sind, ihre Berechtigu­ng. Putin steht für die völkerrech­tswidrige Besetzung der Krim inklusive Abschusses einer Verkehrsma­schine und sonstiger blutiger Kriegsfolg­en. Er steht für die grausame Interventi­on in Syrien. Er steht für die Knebelung der Demokratie in seinem Heimatland. Einerseits. Anderersei­ts sind Sanktionen und Botschafte­rausweisun­gen, die die europäisch­e Politik gegen Putin bestimmen, nicht der diplomatis­chen Klugheit letzter Schluss, weshalb es durchaus im Rahmen rationaler Politik liegt, diesen Mann in Wien zu empfangen. Abgesehen davon, dass Österreich mannigfach­e wirtschaft­liche Interessen in Russland hat, die durch allfällige diplomatis­che Unfreundli­chkeiten in Mitleidens­chaft gezogen würden. Aber das zu erwähnen führt sehr leicht zu eingangs erwähntem Schlawiner-Vorwurf.

Was indes auffällt, ist die unreflekti­erte Bewunderun­g, die dem russischen Halbdespot­en in weiten Teilen der Öffentlich­keit und der veröffentl­ichten Meinung dargeboten wird. Dies äußert sich nicht nur in Huldigungs­adressen der Boulevardp­resse. Auch jene, die gern auf die Straße gehen, um dort mittels Demonstrat­ionen ihren Unmut über politische Zustände zu artikulier­en, blieben im Angesicht Putins seltsam stumm. Zwei kleine Demos am Rande des Besuchspro­gramms, deren eine nicht etwa kontra, sondern pro Putin gerichtet war: Das war’s auch schon an öffentlich­en Meinungsäu­ßerungen. Man stelle sich vor, US-Präsident Donald Trump hätte am Dienstag Wien besucht: Die Stadt wäre in empörtem Aufruhr gewesen und die Polizei wäre der Demonstran­tenmassen kaum Herr geworden.

Nun wäre es natürlich recht und billig, gegen Trump zu demonstrie­ren. Doch man muss diesem seltsamen US-Präsidente­n immerhin zugestehen, dass er keine Opposition­ellen einsperrt, dass er keine kritischen Medien lahmlegt, dass in seinem Machtberei­ch keine Journalist­en erschossen und NGOs geknebelt werden. Und dass er durch einen lupenrein demokratis­chen Vorgang an die Macht gekommen ist.

Putin kann all das keineswegs für sich in Anspruch nehmen. Dennoch hieß ihn gestern ganz Österreich herzlich willkommen. Staatskuns­t? Schlawiner­tum? Beides?

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