Zwischen Staatskunst und Schlawinertum
Österreich rollte dem russischen Halbdespoten Wladimir Putin den roten Teppich aus. Warum eigentlich?
Ist es weise Staatskunst? Oder aber handelt es sich um landesspezifisches Schlawinertum, wenn Österreichs Regierung aus der europäischen Anti-PutinFront ausschert und dem russischen Präsidenten in der Bundeshauptstadt den roten Teppich ausrollt? Möglicherweise haben beide Beurteilungen, so konträr sie sind, ihre Berechtigung. Putin steht für die völkerrechtswidrige Besetzung der Krim inklusive Abschusses einer Verkehrsmaschine und sonstiger blutiger Kriegsfolgen. Er steht für die grausame Intervention in Syrien. Er steht für die Knebelung der Demokratie in seinem Heimatland. Einerseits. Andererseits sind Sanktionen und Botschafterausweisungen, die die europäische Politik gegen Putin bestimmen, nicht der diplomatischen Klugheit letzter Schluss, weshalb es durchaus im Rahmen rationaler Politik liegt, diesen Mann in Wien zu empfangen. Abgesehen davon, dass Österreich mannigfache wirtschaftliche Interessen in Russland hat, die durch allfällige diplomatische Unfreundlichkeiten in Mitleidenschaft gezogen würden. Aber das zu erwähnen führt sehr leicht zu eingangs erwähntem Schlawiner-Vorwurf.
Was indes auffällt, ist die unreflektierte Bewunderung, die dem russischen Halbdespoten in weiten Teilen der Öffentlichkeit und der veröffentlichten Meinung dargeboten wird. Dies äußert sich nicht nur in Huldigungsadressen der Boulevardpresse. Auch jene, die gern auf die Straße gehen, um dort mittels Demonstrationen ihren Unmut über politische Zustände zu artikulieren, blieben im Angesicht Putins seltsam stumm. Zwei kleine Demos am Rande des Besuchsprogramms, deren eine nicht etwa kontra, sondern pro Putin gerichtet war: Das war’s auch schon an öffentlichen Meinungsäußerungen. Man stelle sich vor, US-Präsident Donald Trump hätte am Dienstag Wien besucht: Die Stadt wäre in empörtem Aufruhr gewesen und die Polizei wäre der Demonstrantenmassen kaum Herr geworden.
Nun wäre es natürlich recht und billig, gegen Trump zu demonstrieren. Doch man muss diesem seltsamen US-Präsidenten immerhin zugestehen, dass er keine Oppositionellen einsperrt, dass er keine kritischen Medien lahmlegt, dass in seinem Machtbereich keine Journalisten erschossen und NGOs geknebelt werden. Und dass er durch einen lupenrein demokratischen Vorgang an die Macht gekommen ist.
Putin kann all das keineswegs für sich in Anspruch nehmen. Dennoch hieß ihn gestern ganz Österreich herzlich willkommen. Staatskunst? Schlawinertum? Beides?