Gewalt und Lügen zählen zum normalen Repertoire
SALZBURG, MOSKAU. Kaum Ministerpräsident geworden, zog Wladimir Putin 1999 in den Krieg. Kämpfer aus Tschetschenien, einer abtrünnigen Sowjetrepublik, waren in das benachbarte Russland eingedrungen. Gleichzeitig starben bei Sprengstoffanschlägen auf russische Wohnhäuser mehr als 300 Menschen. Putin, damals 47 Jahre alt, machte auch dafür tschetschenische Freischärler verantwortlich und griff seinerseits an. Am Ende, herrschte Friedhofsruhe am Kaukasus. Man schrieb 2009. Die Hauptstadt Grosny war von der russischen Armee in Trümmer gelegt worden, die Zahl der Opfer dieses Kriegs ist bis heute unbekannt. Schätzungen gehen von mindestens 160.000 Toten aus, die meisten davon Zivilisten. Wladimir Putin war in der Zwischenzeit zwei Mal, 2000 und 2004, zum Präsidenten gewählt worden. Nicht zuletzt der gnadenlose Kampf gegen die Aufständischen in Tschetschenien hatte ihn zu Hause populär gemacht. Das Verhältnis zum Westen war entspannt. Annäherung war auf beiden Seiten angesagt. 2008 hatte Putin mit seinem Vertrauten Dmitrij Medwedew Platz getauscht. Da die Verfassung nur zwei Amtszeiten als Präsident vorsah, wechselte Putin in das Amt des Ministerpräsidenten, Medwedew übersiedelte in den Kreml.
Bei der nächsten Präsidentenkür 2012 kam die Zäsur. Putin stellte sich der Wahl – und sah sich mit wütenden Protesten konfrontiert. Er gewann zwar dank massiver Manipulationen, vermutete aber den Westen hinter den Demonstrationen und Forderungen nach Demokratie.
Die Zeichen standen auf Konfrontation. Putin sah sich gefährdet. Er reagierte mit Aggression. 2014 besetzten russische Truppen die ukrainische Halbinsel Krim. Und der Kremlherrscher präsentierte der damals noch verblüfften Welt erste glatte Lügen: Er bestritt kurzerhand jede Beteiligung. Bis heute bestreitet er Moskaus führende Rolle im blutigen Kleinkrieg in der Ostukraine. Und trotz erdrückender Beweise weist Putin jede Verantwortung für den Abschuss des Flugs MH17 über der Ostukraine mit knapp 300 Toten von sich.
2015 rettete der Kreml mit einer Militärintervention den syrischen Machthaber und Kriegsverbrecher Baschar al-Assad vor dem Sturz und gewann Präsenz im Nahen Osten. Das Vorgehen der russischen Luftwaffe beim Kampf um Aleppo rief indessen Erinnerungen an Grosny wach. Wieder starben Tausende Zivilisten im Hagel russischer Bomben und Raketen. Bis Ruhe herrschte – Friedhofsruhe.
Grosny und Aleppo teilen ein Schicksal