Kickl will Asylrechts-Wende
Die EU-Staaten bleiben völlig uneinig. Gibt es auch beim Gipfel im Juni keinen Durchbruch, ist Österreich als Vorsitzland am Zug. Der Innenminister wälzt schon Ideen.
BRÜSSEL, LUXEMBURG. Eine rasche Novelle des Europäischen Asylrechts ist nach dem Treffen der EU-Innenminister am Dienstag in Luxemburg noch unwahrscheinlicher geworden, als sie es vorher war. Italiens neuer Innenminister Matteo Salvini, der wegen des Vertrauensvotums für die neue Regierung im Senat in Rom nicht angereist war, hatte bereits im Vorfeld erklärt, er werde den vorliegenden Reformvorschlägen nicht zustimmen. Italien werde nicht länger „das Flüchtlingslager Europas“sein, betonte der Chef der rechtsnationalen Lega. Der neue Ministerpräsident Giuseppe Conte legte am Dienstag in Rom nach: Er forderte wie auch Griechenland eine „verbindliche“und „automatische“Umverteilung von Asylbewerbern in der EU – also genau das, was etliche osteuropäische Länder strikt ablehnen. Das wird eine Einigung beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs Ende Juni nicht leichter machen.
Das Paket zur Änderung des Asylrechts und insbesondere der sogenannten Dublin-Regeln, wonach die Länder, in die Migranten zuerst einreisen, die Asylanträge bearbeiten müssen, liegen seit Sommer 2016 auf dem Tisch. Wegen des Streits um eine Flüchtlingsquote für den Krisenfall ist es jedoch blockiert. Auch der nun endgültig abgelehnte Kompromissvorschlag der aktuellen bulgarischen EU-Präsidentschaft hat daran nichts geändert. Matteo Salvini sprach von einem „Sieg Italiens“.
Fünf der insgesamt sieben Rechtsakte in dem Paket sind weit vorangeschritten, darunter die Aufnahmebedingungen, die Anerkennungsverordnung und die Aufwertung der EU-Asylagentur. Es wäre zwar möglich, einzelne Teile aus dem Paket zu lösen und extra mit Stimmenmehrheit statt Einstimmigkeit zu beschließen. Weil das Thema jedoch so kontrovers ist, strebt Ratspräsident Donald Tusk eine Konsenslösung an.
Sollte diese Einigung beim Gipfel im Juni nicht gelingen – wonach es derzeit aussieht – wird Österreich, das ab Juli den EU-Ratsvorsitz übernimmt, einen neuen Versuch starten. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat in Luxemburg bereits deutlich gemacht, dass er nicht weitermachen will wie bisher. Er wolle den Begriff der Solidarität bei der Verhinderung der Migration beleben, sagte er. Außengrenzschutz sei dabei nur eine Komponente, „aber bei Weitem nicht die ganze Wahrheit“. Kickl will bereits den informellen EU-Innenministerrat Mitte Juli in Innsbruck für einen „entsprechenden Paradigmenwechsel“nutzen: „Vielleicht ist es so etwas Ähnliches wie eine kleine kopernikanische Wende im Bereich des Asylsystems.“Die nächste Gelegenheit für eine Einigung wäre dann wohl der EU-Gipfel in Salzburg am 20. September, der ohnehin dem Thema Sicherheit gewidmet ist. Kickl hatte vor der Sitzung betont, dass ein verpflichtender Verteilungsschlüssel keine Chance habe. Kanzler Sebastian Kurz besteht darauf, dass jeder Staat für sich entscheiden soll, ob und wen er aufnimmt.
Deutschland sah gleich mehrere „Defizite“in den bisherigen Vorschlägen. CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt, der Minister Horst Seehofer (CSU) vertrat, forderte etwa, dass besonders schutzbedürftige Personen nicht in das EU-Ersteinreiseland zurückgeschickt werden dürfen.
„Das ist ein Sieg für uns. Ich bin sehr zufrieden.“Matteo Salvini, Innenminister Italiens