Die Musikbranche sucht Wege zum neuen Höhenflug
Wie können sich Musiker auf einem globalen Markt behaupten? Bei der Midem in Cannes stellt auch die EU eine Offensive vor.
SALZBURG. Sie kommen aus der Toskana. In ihrer Musik bauen sie aber gern auch Einflüsse aus französischem Chanson, Britpop und Elektronik ein. Und ihren klingenden Bandnamen haben sie beim Blättern im Deutsch-Wörterbuch gefunden: Die italienische Band Baustelle ist ein schönes Beispiel für die Vielfalt, mit der Europa in der Welt punkten könnte.
Einer ihrer Songs findet sich deshalb auf einer offiziellen Playlist der EU. Unter dem Titel „Hits from Europe“sind darauf neben der italienischen Formation auch das Duo First Aid Kit aus Schweden, die deutsche Band Boy, der belgische Rapper Stromae, der holländische DJ-Star Martin Garrix oder der Austroproduzent James Hersey aufgelistet. Um den Sound Europas weiter in die Welt hinauszutragen, investiert die EU-Kommission derzeit in ein Maßnahmenpaket. Auf der Midem, der größten Messe der Musikindustrie, stellt Themis Christophidou, EU-Generaldirektorin für Bildung, Jugend und Kultur, das Programm „Music Moves Europe“diese Woche vor.
1,5 Millionen Euro seien heuer allein für die Vorbereitung der Offensive budgetiert worden, heißt es auf der Internetseite von „Music Moves Europe“. 25 Milliarden Euro Umsatz erwirtschafte Europas Musikbranche pro Jahr. Wenn das Programm 2020 anläuft, soll es europäischen Musikschaffenden bessere Strategien und Hilfestellungen bieten, um mit ihrer Arbeit auch auf einem Musikmarkt weiter bestehen zu können, der sich in einem radikalen Wandel befindet. Wie verschafft man sich und seinen Songs Gehör, wenn in den Datenbanken der großen Streamingdienste gleichzeitig 30 Millionen weitere Titel um die Aufmerksamkeit der Hörer konkurrieren? Diese Frage beschäftigt freilich nicht nur europäische Songschreiber. Wie tief und schnell sich das Geschäft mit Musik in der digitalen Ära verändert, ist auf der Midem, die gestern, Dienstag, in Cannes eröffnet wurde, ein zentrales Thema für Messeteilnehmer aus aller Welt.
Nach einem Jahrzehnt des Schrumpfens verzeichnet die Branche derzeit wieder Aufwind. Nun werden Wege zu neuen Höhenflügen gesucht. Beim „Streaming Summit“wird etwa diskutiert, mit welchen Taktiken sich Bands auf Plattformen wie Spotify von der Masse abheben können oder wie der Vormarsch von Alexa und anderen smarten Heimlautsprechern genutzt werden könnte, um den Musikkonsum weiter anzukurbeln. Beim „Live Summit“wird die Rolle von Konzerten und Touren beleuchtet, die im Einnahmen-Mix der Musiker immer wertvoller werden, weil immer mehr Fans deren Musik nur mehr im Streaming-Abo konsumieren, statt sie auf Tonträger zu kaufen.
Schwerpunkte widmet die Midem auch Afrika und Südamerika. Dass die Branche hier neue Zukunftsmärkte sieht, lässt sich aus Vortragstiteln wie „Die neuen Influencer der Weltmusik“oder „Kolumbien: Eine musikalische Goldgrube“ablesen. Die Hauptfrage, wie man in der vernetzten Musikwelt den Sprung vom lokalen Helden zum globalen Hit schafft, treibt in Cannes unterdessen Strategen aller Kontinente gleichermaßen an.